Zwischen Spott und Spießigkeit: Der Gartenzwerg
Bonn/dpa. - Rote Zipfelmütze, weißer Rauschebart und runde Bäckchen sind die Kennzeichen des Gartenzwergs. 25 Millionen von ihnen sollen in deutschen Gärten stehen - von den einen geliebt, von den anderen als spießig verachtet.
Aber wie kam der Zwerg eigentlich in den Garten? Der germanischen Mythologie zufolge bevölkern Zwerge die Tiefe der Erde. Sie steuern die unterirdischen Naturkräfte und hüten Gold, Silber und Edelsteine. Der Glaube an die Kräfte der Unterirdischen hielt sich in den Köpfen der Menschen, auch wenn die Kirche ihn auszumerzen suchte. Schaden konnte es ja nicht, wenn man den Kleinen ein idyllisches Plätzchen im Garten einräumte.
Als Ausdruck von Macht und Reichtum umgaben Könige und Fürsten sich in früheren Jahrhunderten gern mit Absonderlichkeiten, um sich und andere zu unterhalten. Besonders begehrt waren kleinwüchsige und verkrüppelte Menschen.
Begeisterten sich die Mächtigen für die lebendigen Zwerge, stellten die wohlhabenden Bürger Zwergenstatuen in ihren Garten. Waren diese Zwergenfiguren ernst gemeint, nutzten Maler und Zeichner die Darstellung grotesker Menschengestalten als Möglichkeit zu karikieren.
Berühmt waren Mitte des 17. Jahrhunderts die Zwergen-Zeichnungen des Grafikers Jacques Callot. Dessen Stiche karikierten bekannte Personen und stellten sie mit bissigen Kommentaren bloß. Das Buch wurde zum Bestseller und löste einen wahren Zwergenboom aus. Die Zwerge zierten Ofenkacheln und wurden aus Lebkuchen und Marzipan geformt. Auch die Meißner und Wiener Porzellanmanufakturen beeilten sich, Zwerge herzustellen.
Zum Höhepunkt der Zwergenmanie wurde Anfang des 18. Jahrhunderts der Zwergengarten von Schloss Mirabell in Salzburg. Erzbischof Franz Anton Graf Harrach ließ dort 28 Marmorfiguren nach dem Vorbild des «Neuen Callot» aufstellen, jede von ihnen 110 bis 140 Zentimeter hoch. Landsknechte, Sänger, Jäger, Handwerker und Obstweiblein tummelten sich im Grünen.
Die Popularität der Zwerge steigerte das ungemein. Aber noch blieben sie ein exklusives Vergnügen. Erst Jahrzehnte später wurden sie auch für das Volk erschwinglich. Im thüringischen Gräfenroda begann im Jahr 1872 die Serienproduktion von Gartenzwergen. Aus Ton stellten unabhängig voneinander August Heissner und Philipp Griebel die ersten Figuren her. Die mittelalterliche Tracht der Bergleute mit der als Kopfschutz ausgestopften Zipfelmütze wurde zu ihrem Markenzeichen. Damit traten sie ihren Siegeszug an.
Heute gibt es die Zwerge auch aus Kunststoff. Außerdem sind neben die sentimentalen Zwerge auch wieder Karikatur und Ironie getreten: Mit Stinkefinger oder herabgelassener Hose treten die Kleinen gegen die verklärte Idylle an. Sogar für Zwergen-Hasser gibt es die mittlerweile die passenden Gestalten - mit Messer im Rücken. Aber umbringen lässt er sich nicht. Der Zwerg geistert weiter unerschrocken durch die Gärten.
Gartenzwerg-Museum in Gräfenroda: www.zwergen-griebel.de
Heimat- und Zwergenfest (17. August) in Gräfenroda: www.graefenroda.de
Zwergengarten von Schloss Mirabell in Salzburg: www.stadt-salzburg.at/hochzeit/mirabell.htm