1. MZ.de
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Tiere: Tiere: Sympathische Stachelträger

Tiere Tiere: Sympathische Stachelträger

Von Arnd Petry 22.09.2005, 11:20
Reißender Absatz - bei Rührei, aber auch bei Hundefeucht- oder einem Mix aus speziellem Igel- und Katzenfutter langen die Stachelträger gerne zu. (Foto: dpa)
Reißender Absatz - bei Rührei, aber auch bei Hundefeucht- oder einem Mix aus speziellem Igel- und Katzenfutter langen die Stachelträger gerne zu. (Foto: dpa) Pro Igel

Berlin/Münster/dpa. - Das Überwintern in menschlicher Obhut gilt unter Experten jedochnur als letztes Mittel: «Igel gehören laut Bundesnaturschutzgesetz zu den besonders geschützten Arten», erklärt Jens Jacob, Biologe am Institut für Nematologie und Wirbeltierkunde in Münster. Das heißt, dass Igel eigentlich in Ruhe gelassen werden sollten. Doch keine Regel ohne Ausnahme: Verletzten oder kranken Tieren, die sichtbar abgemagert sind, darf geholfen werden.

«Ein Beitrag zum Naturschutz wird damit aber nicht unbedingtgeleistet», sagt der Biologe Uwe Plümer aus Belm (Niedersachsen), der seine Doktorarbeit über Igel geschrieben hat. Bundesweit gilt der Igelbestand derzeit als nicht gefährdet. Möglicherweise hat die Igelhilfe sogar negative Auswirkungen: «Es gibt Meinungen, dass der Bestand langfristig geschwächt wird, weil schwache Tiere überleben und sich dann fortpflanzen können», erklärt Plümer. Aus Tierschutz-Sicht spreche aber nichts gegen die Igelhilfe.

Nach Ansicht des Vereins Pro Igel in Neumünster ist die Zahl dergepflegten Igel jedoch viel zu gering, um einen entscheidendenEinfluss auf die Bestandsentwicklung zu haben. Vielmehr seien die Tiere langfristig durch die Zerschneidung ihrer Lebensräume und durch Nahrungsknappheit bedroht.

Damit Igel im Winter gar nicht erst auf einen Pflegeplatzangewiesen sind, raten Pro Igel und der Naturschutzbund Deutschland (NABU), die Räuber im Herbst zu füttern: Für den nächtlichen Futterteller ist Hundefeuchtfutter geeignet, aber auch ein Mix aus Igeltrocken- und Katzenfutter aus der Dose sowie ungewürztes Rührei. Der Teller sollte vor Vögeln und Regen geschützt werden - zum Beispiel durch eine Kiste mit zehn mal zehn Zentimeter großen Einschlupflöchern. Morgens müssen die Futterreste beseitigt und der Teller heiß gespült werden.

Gartenbesitzer können aber auch sonst einiges tun, um den Gartenigelfreundlich zu gestalten: Laub sollte liegen bleiben, und unter Büschen wird höchstens zweimal im Jahr gemäht. Komposthaufen, Hecken, Holzstapel und Büsche bieten Unterschlupf. Auf den Einsatz von Unkrautgiften sollte verzichtet werden, ebenso auf Kunstdünger. Drahtzäune sollten nicht bis zum Boden reichen.

Sorgen um die Gemüsebeete sind unbegründet: Igel fressen Würmer,Laufkäfer, Larven, Spinnen oder Schnecken, pflanzliche Nahrung lassen sie links liegen. Natürliche Feinde haben sie kaum. «Einen gesunden Igel zu überwältigen, ist nicht einfach», sagt Jens Jacob. Die Tiere rollen sich bei Gefahr ein und zeigen ihre bis zu 8000 Stacheln. Wenn überhaupt, dann sind es Füchse, Dachse und Uhus die sich gelegentlich an Igeln gütlich tun. «Feind Nummer Eins ist das Auto», sagt Jacob.

Die Hauptfortpflanzungszeit der Igel liegt zwischen Juni undAugust. Nach 35 Tagen kommen pro Wurf rund fünf Jungigel zu Welt, die 12 bis 25 Gramm wiegen. Sechs Wochen werden sie gesäugt - und mit rund 300 Gramm Gewicht von der Mutter ins Leben entlassen. Soll das nicht vor dem ersten Winter enden, müssen sie Gewicht zulegen.

«Die Tiere brauchen minimal ein Gewicht von 500 Gramm», sagt Kurt Volkmann von der Fachgruppe Igelschutz des NABU in Berlin. Das müssen sie erreicht haben, bevor die Bodentemperaturen dauerhaft unter dem Gefrierpunkt liegen, was meist im November der Fall ist. Vorher sollten untergewichtige Igel nicht ins Haus genommen werden.

Auf den Rat eines Experten sollten Igel-Finder nicht verzichten:«Einfach probieren, das geht in 99 Prozent der Fälle schief», warnt Volkmann. Tierärzte sind allerdings häufig nicht die richtigen Ansprechpartner, da sie nicht über das Wissen und die Erfahrung mit den Stachelträgern verfügen, wie es Liebhaber wie Volkmann haben. Die artgerechte Igelhaltung ist aufwendig: Die Tiere sind Einzelgänger, die ein mindestens zwei mal zwei Meter großes Gehege benötigen -zumindest bis sie sich schließlich zum Winterschlaf zurückziehen und ihren «Pflegeeltern» eine Pause gönnen.

Informationen: Pro-Igel, Lilienweg 22, 24536 Neumünster (Tel.:0180/55 55 95 51)

Eine «Anleitung zur Überwinterung von Jungigeln» gibt es beim NABU, Fachgruppe Igelschutz, Dornröschenstraße 37, 12555 Berlin.