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Berühmter Mediziner Auf Behrings Spuren durch Marburg

Lange war der erste Medizin-Nobelpreisträger kaum präsent in der hessischen Unistadt. Das hat sich geändert: Längst ist dem „Retter der Kinder“ eine eigene Route durch Marburg gewidmet.

Von Roswitha Bruder-Pasewald Aktualisiert: 01.06.2022, 17:41
Die Alte Universität von Marburg wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf den Grundmauern eines Klosters erbaut.
Die Alte Universität von Marburg wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf den Grundmauern eines Klosters erbaut. Roswitha Bruder-Pasewald/dpa-tmn

Marburg - Ein schönes Plätzchen hat sich der berühmte Mediziner für seine letzte Ruhe ausgewählt. Sanft schmiegt sich das schmale, leicht ansteigende Tal zwischen den Waldsaum. An seinem Ende steht das mausgraue Mausoleum mit der blauen Kuppel, in der eine Büste Emil von Behrings (1854 - 1917) steht.

Schon zu Lebzeiten soll sich der erste Medizin-Nobelpreisträger Gedanken über das Jenseits gemacht haben. Sein Mausoleum in Marburg gab der gebürtige Preuße ein Jahr vor seinem Tod höchstpersönlich in Auftrag. Die Höhe, auf der es steht, benannte er nach seiner 20 Jahre jüngeren Frau Else.

Der Retter der Kinder

Von Behring kannte sich mit der Vergänglichkeit des Lebens bestens aus und setzte alles dran, ihr etwas entgegenzusetzen.

Er war maßgeblich beteiligt an der Entwicklung einer Behandlung gegen die Diphtherie. Sein Serum nahm der Krankheit, an der viele Kinder starben, den Schrecken.

Dafür bekam Emil von Behring den Nobelpreis und eine Bezeichnung, die bis heute mit ihm verbunden ist: „Retter der Kinder“. Als von Behring 1917 in seiner Wahlheimat Marburg starb, trauerten nicht nur die Honoratioren der altehrwürdigen Philipps-Universität.

Ein einfacher Mensch war von Behring nicht. „Er konnte ziemlich ablehnend und unter Umständen sogar ziemlich schroff sein“, schrieb ein Kollege über ihn. Natürlich sei das mehr beruflich und amtlich zutage getreten. Gesellschaftlich sei der Neu-Marburger ungemein liebenswürdig gewesen, so der Zeitgenosse Behrings. Sein Serum brachte ihm Wohlstand. Er galt als harter Geschäftsmann.

Lange kaum präsent im Stadtbild

1895 wurde von Behring Direktor des Hygienischen Instituts an der Medizinischen Fakultät der Universität Marburg. Die Skepsis gegenüber der hessischen Provinz legte der Immunologe schnell ab nach.

Mit seiner Frau bezog von Behring eine schmucke Villa, wo er beim „Marburger Kränzchen“ Fachgespräche mit Kollegen führte. Er kaufte einen alten Gutshof und richtete dort ein für damalige Verhältnisse sehr gut ausgestattetes Privatlabor ein, das der Grundstein für die Behringwerke war. Heute arbeiten rund 6000 Menschen in dem Biotech-Center.

Lange war der Nobelpreisträger im Bild Marburgs wenig präsent. Im Gegensatz beispielsweise zu der Heiligen Elisabeth, die Marburg im Mittelalter einen unablässigen Pilgerstrom bescherte und deren zweitürmige Kirche eines der Wahrzeichen der Stadt ist.

Oder den Gebrüdern Grimm, die während ihres Jurastudiums in Marburg lebten und hier ihre ersten beiden Märchen niederschrieben. Um daran zu erinnern, führt ein „Grimm-dich-Pfad“ durch die Stadt, entlang von Skulpturen wie einer XXL-Version von Aschenputtels Schuh.

Auf zwölf Stationen durch ein Leben

Zu den Behringwerken im Stadtteil Marbach kamen indes nur wenige Touristen. Die meisten wollten vor allem zum spektakulär gelegenen Landgrafenschloss und in die pittoreske Altstadt. Und die Büste des Mediziners, die unweit der Elisabethkirche (der ersten rein gotischen Hallenkirche auf deutschem Boden) aufgestellt wurde, übersahen viele.

Doch mit der Behring-Route hat sich das geändert. Sie führt vom Hauptbahnhof in einem großen Bogen durch Marburgs Nordwesten bis in die Nähe des Landgrafenschlosses. An zwölf Stationen steht das Leben und Schaffen des Forschers im Mittelpunkt. Drei bis dreieinhalb Stunden sollte man dafür einplanen.

Eine der Haltepunkte: Behrings früherer Wohnsitz am Rande der Innenstadt. Die feudale zweistöckige Villa präsentiert sich wie vor 100 Jahren, nur dass auf dem großen Platz davor keine Pferdekutschen, sondern Autos parken. In Behrings einstigem Heim ist heute das Dekanat des Fachbereichs Pharmazie der Uni untergebracht.

Marburg ist eine Universität

An der Stelle lohnt sich ein Einschub zur Universität. Vor fast 500 Jahren von Landgraf Philipp dem Großmütigen gegründet, ist die Uni an jeder Ecke der 76 000-Einwohner-Stadt präsent. Im 19. Jahrhundert hat es der Jurist und Schriftsteller Ernst Koch wie folgt auf den Punkt gebracht: „Göttingen hat eine Universität, Marburg ist eine.“

Im Deutschordenshaus mit seinem barocken Eingangsportal büffeln Studenten der Geografie. Der Marstall des Schlosses mit seinem reich verzierten Renaissanceportal beherbergt eine Studenten-WG.

Und in der „Alten Universität“, die äußerlich an gotische Kathedralen erinnert, wird das gelehrt, weshalb der hessische Herrscher Philipp einst überhaupt eine Hochschule gründete: evangelische Theologie. Das Schmuckstück des Baus bekommen nur einige Auserwählte zu Gesicht: Die 1903 eingeweihte Aula mit Historienmalereien zur Stadt- und Universitätsgeschichte wird vor allem als Festsaal der Hochschule genutzt und ist nur bei Führungen zu besichtigen.

Durch ihre Uni ist Marburg auch eine junge Stadt. Ein Drittel der Bewohner sind Studenten. An schönen Tagen bevölkert der akademische Nachwuchs die Lahntreppen nahe der Uni-Mensa und strampelt mit Tretbooten gegen die Strömung des Rhein-Zuflusses an.

Am Ende ein Ausblick

Zurück auf den Spuren Behrings verläuft die Route aus der Innenstadt hinaus zum Mausoleum und dann zu den Behringwerken. Auf dem weiteren Weg geht es um die von ihm entwickelte Serumtherapie und das nicht immer spannungsfreie Verhältnis zu seinen Forscherkollegen.

Die Behring-Route endet in der Nähe des Schlossparks. Von hier ist man schnell am Landgrafenschloss. Und genießt den Ausblick über das Gewimmel von Fachwerkhäusern und schiefen Kirchtürmen.

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