Pflegeversicherung zahlt mehr für Demenzkranke
Essen/dpa. - Es gibt Momente, da ist sie klar. Dann wieder rennt die Mutter in Hausschuhen auf die Straße. Ihre Tochter muss schnell zur Stelle sein. Da bei Demenzkranken immer etwas passieren kann, betreuen viele Angehörige sie rund um die Uhr.
In solchen Fällen zahlt die Pflegeversicherung bislang nicht oder nur wenig. Das ändert sich am 1. Juli: Demenzkranke haben dann früher Anspruch auf Unterstützung - und auf mehr Geld. Bislang erhalten sie nur dann Leistungen aus der Pflegeversicherung, wenn sie mindestens in Pflegestufe eins eingestuft wurden. Daneben kann ein Betreuungsbetrag von jährlich 460 Euro gewährt werden, wenn bei einer Person ein «erheblicher allgemeiner Betreuungsbedarf» festgestellt wurde. Viele Demenzkranke erfüllen aber nicht die Voraussetzung für die Pflegestufe.
Das ist künftig auch nicht mehr notwendig: «Der Kreis der Berechtigten wird erweitert», erklärt Peter Pick aus Essen, Geschäftsführer des Medizinischen Dienstes. Personen mit einer eingeschränkten Alltagskompetenz hätten nun unabhängig von der Anerkennung einer Pflegestufe Anspruch auf Unterstützung. Außerdem steigt der Betrag von 460 Euro auf 1200 beziehungsweise 2400 Euro im Jahr.
Um an dieses Geld zu gelangen, müssen die Demenzkranken oder ihre Angehörigen einen Antrag bei ihrer Pflegekasse stellen. «Wir empfehlen, sich vorher mit dem Hausarzt zu beraten, ob der Antrag Aussicht auf Erfolg hat», sagt Christine Sowinski, Pflegereferentin beim Kuratorium Deutsche Altershilfe (kda) in Köln. Die Pflegekasse entscheidet zusammen mit dem Medizinischen Dienst über den Antrag. «Wenn es schon Unterlagen aus einer Begutachtung gibt, können die ausreichen», sagt Pick.
Ob ein «erheblicher allgemeiner Betreuungsbedarf» vorliegt, wird von einem Gutachter des Medizinischen Dienstes anhand eines Kriterienkatalogs bestimmt. Darin sind 13 Einzelaspekte wie «Unkontrolliertes Verlassen des Wohnbereichs» oder «Verkennen oder Verursachen gefährdender Situationen» zusammengefasst. Bei der Begutachtung spielen die Aussagen der Angehörigen eine wichtige Rolle. «Den Demenzkranken ist die Situation häufig unangenehm, und sie versuchen, sich besser darzustellen», sagt Sabine Jansen, Geschäftsführerin der Deutschen Alzheimer Gesellschaft in Berlin.
Bei Menschen mit einer diagnostizierten Demenz sei die Chance sehr groß, dass sie monatlich 100 Euro bekommen, sagt Pick. «Und alle, die bereits die 460 Euro im Jahr erhalten, bekommen die 100 Euro automatisch.» Für den erhöhten Betrag müssen aber auch sie einen Antrag stellen.
Bei einer Anerkennung wird das Geld rückwirkend vom Tag der Antragstellung an gewährt, sagt Jansen. Der Betrag wird den Demenzkranken aber nicht ausgezahlt. «Damit sollen Entlastungs- und Betreuungsleistungen finanziert werden.» Das sind Angebote der Tages-, Nacht- und Kurzzeitpflege oder Betreuungsgruppen und Helferinnenkreise.
Literatur: Ein «Leitfaden zur Pflegeversicherung» kann von Ende Juni an zum Preis von 4,50 Euro bestellt werden bei der Deutschen Alzheimer Gesellschaft, Friedrichstraße 236, 10969 Berlin, Telefon: 030/25 93 79 50.
Informationen: Alzheimer-Telefon der Deutsche Alzheimer-Gesellschaft, Telfon: 01803/17 10 17 (für 9 Cent pro Minute)
INFO: Ehrenamtlich Helfer entlasten Angehörige
Fast überall gibt es Betreuungsgruppen oder speziell geschulte Helfer, die sich stundenweise um Demenzkranke kümmern. Ziel dieser Entwicklung ist es, den Angehörigen die Möglichkeit zu geben, Einkäufe zu erledigen oder auch mal ins Theater zu gehen, sagt Christine Sowinski vom Kuratorium Deutsche Altershilfe. Die 100 beziehungsweise 200 Euro monatlich von der Pflegekasse können für solche Unterstützungsangebote genutzt werden. Einzige Voraussetzung: Die Angebote müssen anerkannt sein.
Deutschen Alzheimer Gesellschaft: www.deutsche-alzheimer.de