Mütter und Söhne: Besondere Beziehung mit Risiken
Aachen/dpa. - Sie bauen stundenlang mit dem Sohnemann Legotürme, lesen Rittergeschichten vor und stehen sonntags anfeuernd am Fußballplatzrand: Mütter! Die Beziehung zwischen Söhnen und ihren Müttern ist oft besonders innig - aber auch nicht ohne Risiken.
Denn passen Mütter nicht auf, kann aus dem Sohn schnell ein verwöhntes Müttersöhnchen werden. Sie müssen daher lernen, trotz inniger Beziehung loszulassen und dem Kind Freiheit zu geben.
«Am Anfang aller großen Dinge steht eine Frau» - dieses Zitat des französischen Dichters Alphonse de Lamartine ist ein Kompliment an alle Mütter. Oft gibt es zwischen Müttern und Söhnen eine Bindung, zwischen die kein Blatt Papier mehr passt. «Studien haben gezeigt, dass die Bindung zwischen Mutter und Sohn besonders eng ist», sagt Martina Wirtz, Ärztin und Familienberaterin aus Aachen.
So werden Jungs häufig länger gestillt als Mädchen. «Sie werden auch länger gefüttert und mehr bekuschelt», sagt Wirtz. Das bedeutet aber nicht, dass Söhne generell bevorzugt werden. «Die Beziehung zwischen Mutter und Tochter kann genauso intensiv sein, sie gestaltet sich aber anders.» Während Mütter an ihren Töchtern viele Parallelen zu ihrem eigenen Leben entdecken, ist die Welt eines Jungen neu: «Jungs verhalten sich in vielen Dingen anders als Mädchen - darin liegt für viele Mütter eine große Faszination», erklärt Roland Kopp-Wichmann, Diplom-Psychologe aus Heidelberg.
Groß und stark, selbstbewusst und erfolgreich soll er werden. So lauten wohl die Wünsche der meisten Mütter an ihren Sohn. «Doch viele Jungs haben große Schwierigkeiten, ein männliches Rollenbild für sich zu finden», sagt Kopp-Wichmann. Zu Hause ist die Mutter Vorbild, und in Kindergarten und Grundschule erziehen überwiegend weibliche Pädagogen. Doch Mütter sollten auch auf männliche Vorbilder achten - sei es der Vater, Großvater, Onkel oder der Trainer im Fußballverein.
«Die Mutter ist die erste große Liebe im Leben eines Mannes», sagt Martina Wirtz. Eine große Liebe, die bei vielen Müttern jedoch auch zu Bedenken führt: «Wie eng darf die Bindung zu meinem Sohn überhaupt sein?» Ganz anders als bei Mädchen fürchten Mütter, ihren Sohn zu sehr zu verhätscheln und ihn zu verweichlichen.
Die Balance zwischen mütterlicher Nähe und Erziehung zur Männlichkeit wirft tatsächlich Fragen auf. «Mütter müssen zugleich liebevoll und stark sein, um ihrem Sohn zu ermöglichen, gleichzeitig stark und sensibel zu werden», fasst Alain Braconnier, Psychotherapeut und Autor aus Paris zusammen.
Auch wenn die Beziehung zum Sohn sehr innig ist, müssen Mütter loslassen können, sagt Wirtz. Ob die erste Übernachtung beim Kindergartenfreund oder die Einschulung - häufig hängen mehr die Mütter am Rockzipfel des Sohnes als andersherum.
«Mädchen werden viel eher zur Selbstständigkeit erzogen als Jungen», ergänzt Kopp-Wichmann und warnt vor der Gefahr, den Nachwuchs zum Muttersöhnchen zu erziehen: «Jungs brauchen Freiheit.» Wichtig sei bedingungslose Liebe verbunden mit klaren Grenzen und viel Verständnis für die Andersartigkeit eines Jungen. «Mütter sollten auch ihr eigenes Bild von Männlichkeit überprüfen», rät Wirtz. Wer in dem eigenen Sohn einen Partnerersatz sieht oder ewig das kleine Kind, läuft Gefahr, die gesunde Entwicklung zu stören. «Jungen können sich nicht ewig mit der Mutter identifizieren, sondern müssen die Chance bekommen, zum Mann zu werden.»
Literatur: Alain Braconnier: Mutterliebe. Warum Söhne starke Mütter brauchen, DVA, ISBN: 978-3-421-04202-6, 19,90 Euro.
Ob lange Ausbildungszeiten oder fehlende Job-Aussichten: Für immer mehr junge Männer bleibt das «Hotel Mama» eine starke Burg in unsicheren Zeiten. «Mädchen packen viel schneller ihre Koffer und gehen eigene Wege», sagt die Familienberaterin Martina Wirtz. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden lebten im Jahr 2007 noch 14 Prozent der 30-jährigen Männer bei den Eltern, aber nur 5 Prozent der gleichaltrigen Frauen.
Die Wäsche sauber und gebügelt, das Essen immer pünktlich auf dem Tisch: Viele Mütter genießen es, wenn der Nachwuchs sie selbst im höheren Alter noch braucht. Doch der Diplom-Psychologe Roland Kopp-Wichmann warnt: «Mit diesem Pampern leisten Müttern ihren Söhnen keinen Gefallen.» Irgendwann sollten sie ihrem Nachwuchs den Schubs aus dem Nest geben: «Wenn erwachsene Männer keine Anstalten machen, auszuziehen, müssen Mütter und Väter die Initiative ergreifen.» Denn jeder Nachwuchs müsse lernen, auf eigenen Füßen zu stehen