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Schippern am Schreibtisch Interboot: Boote mit „Bordoffice“ liegen im Trend

In Zeiten von Pandemie und Homeoffice soll auch die eigene Yacht als Arbeitsplatz taugen. Die große Nachfrage nach neuen Booten beschert deutschen Herstellern viele Aufträge, aber auch Probleme.

Von Frederick Mersi, dpa Aktualisiert: 08.10.2021, 14:53
Hunderte Boote liegen im Yachthafen von Ultramarin in Gohren, während ein Mann sein Segelboot aus dem Hafen fährt. Die Nachfrage nach Booten und Hafenplätzen kann aktuell kaum gedeckt werden.
Hunderte Boote liegen im Yachthafen von Ultramarin in Gohren, während ein Mann sein Segelboot aus dem Hafen fährt. Die Nachfrage nach Booten und Hafenplätzen kann aktuell kaum gedeckt werden. Felix Kästle/dpa

Hamburg/Friedrichshafen - Wenn Maren Wagener an ihrem Arbeitsplatz aus dem Fenster schaut, sieht sie blauen Himmel, Meer und Segelboote. „Wir lieben es, auf dem Wasser zu sein“, sagt die 43-jährige Geschäftsführerin einer Online-Marketingfirma. „Und was gibt es Schöneres, als dort dann auch zu arbeiten?“

Seit 2015 leitet Wagener ihr Unternehmen deshalb mit ihrem Mann Matthias von einem Segel-Katamaran aus. Von Valencia aus soll der Kurs als nächstes entlang der spanischen Mittelmeerküste gen Gibraltar gesetzt werden.

Das „Bordoffice“ als Dauerlösung ist zwar auch in Zeiten von Corona-Pandemie und mobilem Arbeiten unter Bootsbesitzern eine Seltenheit, beim vorübergehenden Schippern aufs Internet verzichten will aber kaum jemand mehr. „Das ist momentan ein Thema“, sagt der Geschäftsführer des Deutschen Boots- und Schiffbau-Verbands (DBSV) mit Sitz in Hamburg, Claus-Ehlert Meyer. „Die Leute wollen sich auf dem Boot nicht ins digitale Nirvana begeben.“

Internet ist inzwischen Standard

Aufs Wasser zieht es viele Deutsche auch im zweiten Pandemie-Jahr. „Im Moment sind die Verkäufe so gut, dass es eine Weile dauert, bis man sein Wunschboot bekommt“, sagt DBSV-Geschäftsführer Meyer. Die große Nachfrage ziehe sich durch fast alle Bereiche: „Was an gängigen Booten zur Verfügung steht, wird gehandelt.“ Bei vielen Yachten sei Infrastruktur fürs Internet inzwischen Standard, fast alle Boote ließen sich entsprechend nachrüsten.

Bei Liegeplätzen spielt Digitalisierung ebenfalls eine große Rolle. So rüstet die Ultramarin-Marina, einer der größten Privathäfen am Bodensee in Kressbronn, derzeit einen Teil der 1500 Liegeplätze mit Glasfaser-Anschlüssen für Boote aus. „Es ist nicht mehr so, dass die Menschen nur noch zum Segeln aufs Boot gehen“, sagt Patricia Reuthe vom Betreiber Meichle + Mohr GmbH. „Die Leute leben zum Teil dort.“

Zwar gebe es inzwischen in fast jedem Hafen am Bodensee WLan, sagt Reuthe. „Aber bei uns liegen an die 900 Segelboote, und deren Masten sind oft Störfaktoren. Da kann man schon mal verzweifeln, wenn man eine E-Mail mit PDF-Datei im Anhang herunterladen will.“

Kunden warten lange auf Boot und Platz im Hafen

Länger als die Suche nach einer Internetverbindung dauert aber oft das Warten auf einen Platz im Hafen - und das eigene Boot. „Die Liegeplätze sind knapper geworden“, sagt DBSV-Geschäftsführer Meyer. Mit der Corona-Pandemie seien die Verkaufszahlen der Bootsbauer gestiegen, profitiert habe die Branche vor allem von Neueinsteigern. „Viele bauen an der Grenze dessen, was sie können.“

Viele Hersteller könnten die Produktion nicht einfach erhöhen, betont Meyer. Zum einen gebe es nur eine begrenzte Zahl an Bauplätzen, zum anderen bereiteten die Lieferketten in Zeiten von Corona Probleme. „Man merkt außerdem, dass es einen Fachkräftemangel gibt“, sagt Meyer. „Den hatten wir schon vor Corona, aber durch die große Nachfrage hat sich die Situation noch verschärft.“

Neuheiten der Branche stellen von Samstag bis 26. September rund 280 Aussteller bei der Wassersportmesse Interboot in Friedrichshafen am Bodensee vor. Die Messe wirbt auch für „das schwimmende Traumbüro“.

Maren und Matthias Wagener wollen ihr „Bordoffice“ im Mittelmeer vorerst nicht verlassen. WLan fänden sie in vielen Häfen oder Strandbars, sonst liefen Videoanrufe in Küstennähe meist problemlos über eine Sim-Karte. „Selbstverständlich ist es unpraktischer, hier zu arbeiten als in einer normalen Wohnung“, sagt Matthias Wagener. „Aber es ist auch spannender - und die positiven Seiten überwiegen.“