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Normal oder gestört? Wenn der Hund sich dreht oder den eigenen Schwanz jagt

Es gibt so manches kuriose Verhalten von Hunden, das ihre Besitzer zum Lachen, Grübeln oder auch Verzweifeln bringt. Experten erläutern, was es damit auf sich hat.

Von Katja Sponholz, dpa Aktualisiert: 17.11.2022, 09:28
Wenn der Hund Gras frisst, kann es sein, dass es ihm einfach schmeckt - quasi als Snack im Vorbeigehen. Manche Hunde fressen es aber auch, wenn ihnen schlecht ist - um zu erbrechen.
Wenn der Hund Gras frisst, kann es sein, dass es ihm einfach schmeckt - quasi als Snack im Vorbeigehen. Manche Hunde fressen es aber auch, wenn ihnen schlecht ist - um zu erbrechen. Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa-tmn/Archivbild

Leizpig/Wien - Den eigenen Schwanz jagen, an fremden Hundepos schnuppern oder stundenlang an den Pfoten lecken: So manches Mal stellen sich Hundebesitzer kopfschüttelnd die Frage: „Warum tut er das nur?“ Einige der scheinbar ungewöhnlichen Verhaltensweisen gehen auf die Evolution zurück, andere können Hinweise auf psychische Störungen oder Gesundheitsprobleme sein.

„Grundsätzlich ist es so: Wenn wir ein Tierverhalten betrachten, ist es immer wichtig, das Normalverhalten der Tierart zu kennen“, sagt Tierarzt und Tierverhaltenstherapeut Ronald Lindner aus Leipzig. Der Mensch empfinde bestimmte Sachen jedoch als unerwünscht und als Verhaltensproblem, „während die eigentlichen Verhaltensstörungen und krankhaften Veränderungen oft gar nicht gesehen oder als solche erkannt werden“, so der Autor („Was Hunde wirklich wollen“). Ein paar Beispiele.

Den eigenen Schwanz jagen

Zunächst einmal kann es sich einfach um ein ganz normales Spielverhalten handeln, gerade bei Welpen. „Junge Hunde lernen sich und ihren Körper kennen und entdecken, dass da noch eine Rute dran ist. Und nach der kann man einfach mal haschen“, sagt Lindner. Im weiteren Verlauf des Lebens könne es jedoch auch eine Stresskompensation (auch für Freude) oder Ausdruck für ein Beschwichtigungsverhalten sein.

Was man bei Welpen noch niedlich findet, kann sich später zu einer schweren Verhaltensstörung entwickeln, warnt Stefanie Riemer, Verhaltensbiologin von „HundeUni - Wissenschaft trifft Praxis“ in Wien. Denn Welpen empfinden es als positives Feedback, wenn die Menschen sie bei einem solchen Verhalten beobachten und dabei lachen. Deshalb wiederholen sie es, wenn sie frustriert oder erwartungsvoll sind. Diese Angewohnheit kann dann bis zu einer Zwangsstörung führen.

„Es kommt nicht selten vor, dass es sich bei den Tieren bis zu einem stereotypen Kreiseln steigert“, sagt Lindner. Im Extremfall könne es dazu führen, dass sie stundenlang nichts anderes mehr machen. Wenn dann auch keine Psychopharmaka mehr greifen, sei ein solches Verhalten gar ein Grund für Euthanasie.

Deshalb sollte der Mensch frühzeitig und richtig auf das Schwanz-Jagen reagieren. Auf Kommandos wie „Nein!“ oder „Lass das!“ sollte man verzichten. Denn diese können vom Hund missverstanden werden und sogar noch eine verstärkende Wirkung haben. Stattdessen rät Lindner zum Entzug von angenehmen Dingen: „Am besten den Hund ignorieren und den Raum verlassen“ Kommt er hinterher, könnte man ihn „Sitz“ machen lassen und dafür belohnen - dadurch werde das andere Verhalten vergessen.

Buddeln und lecken

Damit verhält es sich im Grunde nicht anders als beim Schwanz-Beißen, sagt Hundeverhaltenstrainerin Alexandra Wischall-Wagner. Mag sein, dass die Menschen es zunächst lustig oder niedlich fanden, wenn ihre Vierbeiner unermüdlich am Strand einen Tunnel graben oder abends beim Fernsehen ein bisschen an den Pfoten knabbern. „Durch den Menschen ist solch ein Verhalten aber schlecht verstärkt worden.“ Denn die Hunde erhalten eine Bestätigung, weil sie Aufmerksamkeit bekommen - und zeigen es daher häufiger.

„Es ist ganz extrem wichtig, dass der Mensch das unterbricht. Sonst kippt der Hund irgendwann in sein Suchtverhalten und kann es nicht mehr stoppen“, warnt die Psychologin. Ganz gleich, ob es sich um exzessives Graben handelt oder Pfotenknabbern, bis es blutet: Statt zu schimpfen oder zu bestrafen, sollte man ihn „liebevoll herausholen“ aus diesem Wahn und ihn beruhigen.

„Für mich ist immer das Allerwichtigste zu schauen, warum zeigt er dieses Verhalten, was hat er davon, und welche Emotion ist dahinter“, sagt die Buchautorin („Entspannter Mensch - Entspannter Hund“). So müsse man unterscheiden, ob ihm langweilig sei, wenn er mit diesem Verhalten anfange, oder ob er Frust oder Ängste habe und mit der eigenen Unsicherheit nicht klarkomme.

Natürlich müssten auch medizinische Ursachen abgeklärt werden, betont Stefanie Riemer: Stundenlanges Lecken an Pfoten könne auch ein Hinweis auf Schmerzen oder Juckreiz durch eine Allergie sein. Und es gäbe auch Rassen, die spezifische zwanghafte Verhaltensweisen zeigen: Dobermänner neigen etwa zu exzessivem Lecken, Bullterrier hätten die Tendenz, ihren eigenen Schwanz zu jagen.

Zudem gäbe es auch Hunde, die ihr Leben lang gerne an Decken oder anderen Dingen saugen: Das seien oft solche, die zu früh von der Mutter getrennt wurden.

Um die eigene Achse drehen

Hundebesitzer kennen das: Erst mal muss sich der Hund um die eigene Achse drehen, bevor er sich - oft auch noch mit einem tiefen Seufzer - auf sein Hundekissen fallen lässt. „Es ist einfach nur ein Komfortverhalten“, so Stefanie Riemer. Hunde würden sich auf die Art und Weise ihr Bett zurechtmachen. Besonders ausgiebig tun das oft die, die Schmerzen haben.

Warum sie sich auch drehen müssen, wenn sie ihr großes Geschäft machen, darüber gibt es unterschiedliche Theorien. Sie reichen vom Niedertrampeln des Grases bis hin zur magnetischen Nord-Süd-Achse, nach der sich die Vierbeiner ausrichten. „Nach einer ersten Studie 2013, die viel Aufsehen erregte, kam 2022 bei einer Untersuchung heraus, dass Hunden beim Kotabsetzen das Magnetfeld vielleicht doch egal ist“, so Riemer.

Alexandra Wischall-Wagner vermutet, dass das Drehen dazu dient, sich den Platz angenehmer zu gestalten. „Dass Hunde danach auch noch mit den Hinterläufen scharren, hat vor allem den Sinn, den eigenen Geruch zu verbreiten und das Markierfeld auszuweiten.“ Hinzu kommt, dass sie auch Pheromondrüsen an den Pfotenballen besitzen und beim Scharren zusätzlich Moleküle verbreiten, um ihre Duftmarken zu setzen.

Übrigens: Auch am Hinterteil gibt es solche Pheromondrüsen. „Hunde riechen dort besonders gerne bei Artgenossen, weil sie dort ihre Identität erschnuppern“, erläutert Riemer. Ein Grund, warum Hunde die Rute einziehen, sei vermutlich, dass sie diese Informationen für sich behalten wollen: „Wenn sie wedeln, würden sie sie noch verbreiten“, so die Verhaltensbiologin.

Gras fressen wie 'ne Kuh

Wenn Hunde scheinbar zu Nahrungskonkurrenten für Kühe werden, kann das viele Ursachen haben. Die erste: Weil es schmeckt! Vor allem das junge zarte Grün nimmt so mancher Hund gerne als Snack im Vorbeigehen. Manche allerdings schnappen vor allem dann nach Gras, wenn ihnen schlecht ist. Dann fressen sie das Grünzeug so lange, bis sie erbrechen. „Wenn das nur ab und zu vorkommt, passiert nichts und ist normal“, sagt Riemer. Wenn Hunde das jedoch ständig tun, sollte man sie vom Tierarzt durchchecken lassen.

Eine alte Lebensweisheit jedoch, da sind sich alle Experten einig, kann als Ursache ausgeschlossen werden: Dass Grasfressen eines Hundes ein Zeichen dafür ist, dass es bald regnet.

Literatur:

Dr. Ronald Lindner: Was Hunde wirklich wollen, GU, 256 Seiten, 15,99 Euro. ISBN: 9783833818783.

Alexandra Wischall-Wagner: Entspannter Mensch, entspannter Hund, GU, 176 Seiten, 19,99 Euro, ISBN: 978-3833868382.