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Green Nudging Wie Eisbären und Smileys beim Energiesparen helfen

Kleine Anreize mit großer Wirkung: Green Nudging fördert ohne Zwang und Verbote umweltfreundliches Verhalten. Wie bei den Eisbären in der Dusche.

Von Christiane Oelrich, dpa Aktualisiert: 19.05.2022, 07:29
Die Ingenieure der Firma Amphiro, die diesen Duschkopf entwickelt haben, haben in Studien nachgewiesen, dass Menschen kürzer duschen und im Durchschnitt 22 Prozent Energie sparen, wenn sie sehen, was sie verbrauchen.
Die Ingenieure der Firma Amphiro, die diesen Duschkopf entwickelt haben, haben in Studien nachgewiesen, dass Menschen kürzer duschen und im Durchschnitt 22 Prozent Energie sparen, wenn sie sehen, was sie verbrauchen. Amphiro AG/dpa

Zürich - Erst sind fünf Eisbären auf dem Duschkopf zu sehen,
dann vier, drei, zwei, einer. Die Botschaft: Je kürzer Du duschst,
desto mehr Eisbären bleiben übrig. Die Ingenieure, die das Schweizer
Produkt entwickelt haben, konnten in Studien zeigen, dass Menschen
kürzer duschen und im Durchschnitt 22 Prozent Energie sparen, wenn
sie darauf hingewiesen werden, was sie verbrauchen.

Die Eisbären sind ein sogenannter „Green Nudge“, ein Stups oder
Anreiz, sich grüner, also umweltfreundlicher zu verhalten. „Green
Nudging“, das Konzept, Menschen ohne große Verbote oder neue Regeln
zu umweltfreundlicherem Verhalten zu animieren, ist groß im Kommen.

Die Eisbären sollen die Folgen des Klimawandels anschaulich machen:
Wer viel Energie verbraucht, trägt zu Treibhausgasen bei. Die sorgen
für die Klimaerwärmung, was zu Eisschmelze führt und den Lebensraum
der Eisbären bedroht.

Die gemeinnützige Klimaschutzagentur Energiekonsens des Bundeslands
Bremen hilft Unternehmen beim Green Nudging. Mehr als 20 sind es
inzwischen, die allerhand ausprobiert haben.

Roter Smiley, grüner Smiley...

Bei einer Fischfeinkost-Firma haben Mitarbeiter aus Bequemlichkeit
oft die Tore zu den Kühlräumen offengelassen und damit unnötig
Energie verbraucht. Heute sind nahe den Toren große Anzeigen mit der
Temperatur und einem Smiley angebracht: Wenn es zu warm wird, ist ein
roter Smiley mit nach unten gezogenen Mundwinkeln zu sehen; wenn die
Temperatur stimmt, lacht ein grüner Smiley von der Anzeige herunter.
Fazit: In einem Zeitraum von 25 Tagen wurden mit der Smiley-Anzeige
19 Prozent weniger starke Temperaturabsenkungen zum Nachkühlen der
Räume benötigt als im gleichen Zeitraum vorher.

Ein Unternehmen für Design, Architektur und Messebau hat in seinem
Buchungssystem für Dienstfahrzeuge neu die Verkehrsmittel mit dem
geringsten CO2-Ausstoß nach oben gestellt. Es gibt neben elektrischen
Fahrrädern dort E-Autos, Benzin- und Dieselfahrzeuge. Zudem gab es
eine Info-Veranstaltung mit E-Bike-Rallye zum Ausprobieren der Räder.
Die Buchungen von Benzin-Fahrzeugen gingen seither von 26 auf 19
Prozent zurück, die der E-Autos stiegen von 37 auf 41 und die der
E-Fahrräder von 36 auf 40 Prozent.

Nicht verboten, nichts belohnt

„Beim Green Nudging wird nichts verboten und nichts belohnt“, sagt
die Bremer Projektleiterin Astrid Stehmeier. „Man lässt die Leute wie
sie sind, aber ändert die Entscheidungsumgebung.“ Viele Menschen
wollten sich ja gerne klimafreundlicher verhalten, seien aber ohne
großes Überlegen in einer Routine verhaftet. Oft reiche es,
Voreinstellungen zu ändern. So könne die Klimaanlage im Büro
routinemäßig zu einer bestimmten Zeit ausgehen oder die Spülmaschine
könne automatisch auf Ökowaschgang eingestellt sein. Wer will, kann
die Einstellungen ändern. „Nudging ist ein schlankes Instrument für
Klimaschutz, da muss kein großes Rad gedreht werden“, sagt Stehmeier.

Das Nudging-Konzept wurde von den amerikanischen Verhaltensökonomen
Richard Thaler, der 2017 den Nobelpreis erhielt, und Cass Sunstein
geprägt. Sie legten dar, wie Menschen durch kleine Anregungen von
Firmen oder Behörden ganz ohne Zwang zu Verhaltensänderungen gebracht
werden können.

Ist das nicht Manipulation? „Es geht ja um ein Verhaltensangebot, das
der Umwelt und der Allgemeinheit zuträglich ist“, sagt Elisabeth
Dütschke vom Fraunhofer-Institut für System- und
Innovationsforschung. Dagegen sei kaum etwas einzuwenden. Von
Manipulation könne man im Supermarkt sprechen, wo Menschen durch
Nudges zu Käufen veranlasst würden, etwa durch die Platzierung von
Süßem, Schnaps und Zigaretten dort, wo man in der Warteschlange steht
und den Blick schweifen lässt.

Duschen mit App

Nudges, sagt die Psychologin, funktionieren: „Wir sollten uns das
Potenzial, das in solchen Anreizen liegt, nicht entgehen lassen.“
Dütschke bezweifelt aber, dass Menschen durch solche Nudges zu
Umweltfreunden werden, die es vorher nicht waren.

Oft reicht als „Nudge“ schon eine konkrete Information, hat Stehmeier
festgestellt. Etwa, wenn im Büro an Müllbehältern Symbole kleben, die
genau zeigen, was wo hineingehört. Eine Firma hat damit erreicht,
dass der Anteil der korrekt sortierten Müllstationen von 46 auf 71
Prozent gestiegen ist.

Oder bei der Dusche mit den Eisbären, die auch den Wasser- und
Energieverbrauch anzeigt. Die Firma Amphiro lässt den Duschkopf auch
via App mit einem Smartphone verbinden. So kann die Schnelligkeit,
mit der die Eisbären verschwinden, eingestellt werden. In der App
können Duschende verfolgen, wie sich ihr Energieverbrauch entwickelt.
Auf Instagram ist die Firma mit Informationen wie dieser
präsent: „Eine Sekunde warm duschen verbraucht so viel Energie wie
das Aufladen eines Smartphones.“