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Finanzaufsicht Prämiensparen: Bafin stellt sich auf Seite der Sparer

Prämiensparverträge waren bei Kunden und Bankberatern lange beliebt. Mittlerweile sind die Verträge wegen falscher Zinsklauseln zu einem Problem geworden. Selbst die Finanzaufsicht ist auf Seite der Kunden.

Von Falk Zielke, dpa 21.06.2021, 16:25
Prämienspartverträge waren einst beliebt, doch dann wurde es undurchsichtig für die Kunden.
Prämienspartverträge waren einst beliebt, doch dann wurde es undurchsichtig für die Kunden. Zacharie Scheurer/dpa-tmn

Bonn/Leipzig/Stuttgart - Mit langfristigen Verträgen ist das so eine Sache. Was sich im Moment gut anhört, kann in der Zukunft ein schlechtes Geschäft werden. So wie bei den Prämiensparverträgen. Um Kunden lange an sich zu binden, versprachen Banken und Sparkassen ihnen vor Jahren gute Zinsen. Häufiger Clou: Je länger der Vertrag läuft, desto höher die zusätzliche Zinsprämie.

Doch genau das ist für die Anbieter in Niedrigzins-Zeiten zu einer Belastung geworden. Oft wurden alte Verträge einfach gekündigt. Wurde die höchste Prämienstufe erreicht, geschieht das zu Recht, wie der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden hat. Umstritten blieb die Frage, wie die Zinsen angepasst werden müssen. Und in dieser Frage hat sich jetzt auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (Bafin) auf die Seite der Kunden gestellt.

Anbieter müssen Kunden aufklären

Laut einer am Montag veröffentlichten Allgemeinverfügung müssen die Kreditinstitute ihre Prämiensparkunden über unwirksame Zinsanpassungsklauseln informieren. Und nicht nur das: Die Anbieter müssen in dem Schreiben auch erklären, ob die jeweiligen Kunden dadurch zu geringe Zinsen erhalten haben.

„Gut ist das für alle Verbraucherinnen und Verbraucher, die noch nichts von ihren Ansprüchen wussten“, erklärt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Denn die Geldhäuser müssen ihren Kunden unwiderruflich eine Zinsnachberechnung zusichern oder einen Änderungsvertrag mit einer wirksamen Zinsanpassungsklausel anbieten.

Verträge bis Anfang der 2000er verbreitet

Hintergrund sind langfristige Sparverträge, die in den 1990er und 2000er Jahren im ganzen Bundesgebiet abgeschlossen wurden. Bei den Sparkassen hießen die Verträge oft „Prämiensparen flexibel“, die Volksbanken nannten diese Verträge oft „Bonus- oder Zielsparplan“.

Das Prinzip der Produkte ist meist ähnlich: Der Zins setzt sich aus einem variablen Grundzins und einer vereinbarten Prämie zusammen. „Diese Prämie steigt, je länger der Vertrag besteht, damit die Kunden möglichst lange dabei bleiben“, erklärt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.

Die variablen Sparzinsen sollten der allgemeinen Zinsentwicklung angepasst werden. „Bei vielen Verträgen haben die Institute die Zinsen bereits auf bis zu 0,01 beziehungsweise 0,001 Prozent gesenkt“, so Nauhauser. „Allerdings sind die Zinsanpassungsklauseln, auf die sich die Banken und Sparkassen dabei berufen, in fast allen Verträgen rechtswidrig.“

Eigentlich muss die Zinsanpassung fair und nachprüfbar geschehen, erklärt die Stiftung Warentest. Ein Sparer muss bei einem Sparvertrag mit einem variablen Zins erkennen können, wovon sein Vertragszins abhängt. Also welchen Referenzzins die Bank zugrunde legt und wann und wie genau sie den Zins ändern wird. Genau das ist aus Sicht von Verbraucherschützern aber oft nicht der Fall.

Hohe Forderungen stehen im Raum

Obwohl der Bundesgerichtshof diese Sichtweise grundsätzlich bestätigt hat, landen viele Fälle immer noch vor Gericht. „Den Kunden wurden meist zu wenig Zinsen gutgeschrieben“, sagt Andrea Heyer von der Verbraucherzentrale Sachsen. „Dabei stehen aufgrund der langen Vertragszeiten mitunter hohe Forderungen im Raum.“ Kunden können im Durchschnitt mit einigen Tausend Euro rechnen.

Die Bafin stützt sich für ihre Allgemeinverfügung nun auch auf die Rechtsprechung der Karlsruher Richter. Verbraucher müssen sich jetzt nicht bei ihrem Kreditinstitut melden. „Die Anbieter müssen die Kunden ja nun von sich aus anschreiben“, sagt Heyer. „Das gilt auch, wenn der Vertrag schon gekündigt wurde.“

Wer ein Schreiben von seinem Geldinstitut bekommt, sollte das Angebot prüfen. Denn diese seien häufig zwar nicht zu beanstanden. „In manchen Fällen kann Kunden aber mehr zustehen“, gibt Nauhauser zu bedenken. Das sei von Geldinstitut zu Geldinstitut unterschiedlich.

Ansprüche schon verjährt?

In vielen Fällen wird sich zudem die Frage der Verjährung stellen. „Wenn Ihr Vertrag 2017 gekündigt wurde, könnten die Ansprüche Ende 2020 verjährt sein, es sei denn, das neue BGH-Urteil vom 27. April 2021 findet Anwendung “, erklärt Andrea Heyer.

„Der Lauf der dreijährigen Verjährungsfrist kann durch ein außergerichtliches Schlichtungsverfahren oder eine Klage gehemmt werden.“ Dies sei für 2018 beendete Verträge zu beachten, wenn man auf Nummer sicher gehen will.

Niels Nauhauser sieht den Sachverhalt für Verbraucher an der Stelle allerdings etwas optimistischer: „Ob die Verjährung tatsächlich nach drei Jahren eintritt, ist nicht abschließend geklärt“, sagt der Verbraucherschützer. Es komme bei der Betrachtung ja immer darauf an, wann jemand Kenntnis des rechtswidrigen Sachverhalts erlangt habe.

Selbst aktiv werden

Wer einen Vertrag mit intransparenter Zinsanpassungsklausel hat, kann von seinem Geldinstitut auch selbst eine Nachberechnung der Zinsen verlangen. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg stellt dazu einen Musterbrief bereit, auch die Stiftung Warentest bietet im Internet eine Formulierungshilfe an.

Oft hat ein solches Schreiben schon Erfolg, weiß Niels Nauhauser aus Erfahrung. „Einige Institute zahlen nach.“ Allerdings verhalten sich die Institute bundesweit recht unterschiedlich. In manchen Fällen brauchen Betroffene juristische Unterstützung. Bundesweit sind nach wie vor weitere Klagen anhängig, etwa gegen die Saalesparkasse, die Sparkasse Nürnberg oder die Stadtsparkasse München.