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Genervte Anwohner Motorradlärm sorgt vielerorts wieder für Streit

An beliebten Motorradstrecken in der Eifel, dem Schwarzwald oder dem Voralpenland gibt es alljährlich Streit um den Zweiradlärm. Anwohner sehen ihre Gesundheit in Gefahr, die Fahrer fühlen sich gegängelt. Können leisere Motoren und Auspuffanlagen das Problem lösen?

Von Rolf Schraa, dpa 12.05.2021, 12:02
Seit Jahren klagen Anwohner an beliebten Motorradstrecken über dröhnende Motorräder, Biker hingegen plädieren für eine faire Debatte.
Seit Jahren klagen Anwohner an beliebten Motorradstrecken über dröhnende Motorräder, Biker hingegen plädieren für eine faire Debatte. Thomas Frey/dpa

Berlin - Am langen Himmelfahrts-Wochenende steigen wieder Tausende Biker auf ihre Maschinen und steuern beliebte kurvenreiche Motorradstrecken an. Für die direkten Anwohner der Biker-Hotspots ist es dann mit der Feiertagsruhe vielfach vorbei.

Wenn an einem einzigen Tag 1000 Motorräder und mehr an der Terrasse vorbeidonnern, wie an sonnigen Tagen an manchen Orten im Schwarzwald oder auf der Schwäbischen Alb, fürchten die Nachbarn um ihre Gesundheit und den Wert ihrer Grundstücke. Auf der anderen Seite stehen die berechtigten Freizeitwünsche der Biker - ein Dauerkonflikt, der mit dem Beginn der Motorradsaison jedes Jahr wieder auflebt und heftig ausgetragen wird.

WO SIND DIE HOTSPOTS?

Motorrad-Hotspots finden sich in bergigen Regionen im Sauerland und der Eifel, im Schwarzwald, der Schwäbischen Alb zum Beispiel im Lautertal, dem Voralpenland und am Feldberg in Hessen. Etwa 30 an Wochenenden oder komplett für Motorradfahrer gesperrte Strecken zählt der Bundesverband der Motorradfahrer in einer Liste auf, die meisten in NRW, Bayern und Baden-Württemberg. Dazu kommen noch zahlreiche für Zweiräder gesperrte Ortsdurchfahrten und Nachtfahrverbote.

Die Sperrungen beschäftigen immer wieder die Gerichte. Vielfach werden sie dabei kassiert - so untersagte etwa das oberste Verwaltungsgericht von NRW vor knapp zwei Jahren ein Sommer-Verkehrsverbot für Motorräder auf einer Straße im Märkischen Kreis als unverhältnismäßig.

Aus Sicht der Anwohner-Initiativen gibt es dabei bundesweit noch viel mehr Lärm-Hotspots als Streckensperrungen - in einer Liste des Arbeitskreises Motorradlärm im BUND werden rund 90 aufgezählt.

WAS SAGEN DIE BETROFFENEN?

„Der Lärm belästigt die Menschen an den Straßen, macht sie krank und entwertet ihre Grundstücke“, klagt der Sprecher des Arbeitskreises, Holger Siegel. Anwohner kritisieren vor allem, dass manche Motorradfahrer ihre Zweiräder durch Manipulationen am Auspuff absichtlich lauter machen. Auspuffklappen, die während der Fahrt geöffnet werden können, ermöglichten vorschriftsmäßige Werte auf dem Prüfstand und „unerträglichen Lärm“ auf der Straße, sagt Siegel.

Lautstärkemessungen der Polizei bei angehaltenen Motorrädern seien häufig nicht gerichtsfest, berichtet der Bürgermeister des Biker-Hotspots Nideggen in der Eifel, Marco Schmunkamp. Und das „Blitzen“ vorbeifahrender Zweiräder sei mangels Frontkennzeichen erschwert. Der Zusammenschluss von rund 40 betroffenen Kommunen „Silent Rider“, in dessen Vorstand Schmunkamp sitzt, fordert deshalb PIN-Codes an den Helmen der Fahrer zur Identifikation der Fahrer von vorne und die rechtliche Möglichkeit zur sofortigen Stilllegung manipulierter Motorräder.

UND DIE MOTORRADFAHRER?

Auch die Motorradfahrer sind in zahlreichen Verbänden gut organisiert. In einem Strategiepapier wiesen sie noch vergangene Woche bei einem Treffen mit Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) Vorwürfe entschieden zurück. Bei fast 4,4 Millionen Zweirädern mit amtlichem Kennzeichen sei das Sicherheitsbewusstsein hoch, die Zahl der tödlichen Unfälle gehe seit vielen Jahren zurück. Motorradfahren sei ein Milliarden-Wirtschaftsfaktor - nicht nur für die Industrie, sondern auch für Tourismus und Gastronomie und obendrein ressourcenschonender als Auto fahren, heißt es in dem Papier der Bundesarbeitsgemeinschaft Motorrad.

Die Fahrer, die am Auspuff schrauben, Gänge unnötig hochdrehen und Straßen als Rennstrecken missbrauchen, müssten durch verstärkte Kontrollen gestoppt werden, fordern die Motorradfahrer. Für diese Kontrollen reichten die bestehenden Vorschriften, nötig sei aber mehr Personal bei den lokalen Behörden. Schon jetzt könne ein Motorrad beschlagnahmt werden, wenn es für illegale Straßenrennen genutzt wird.

LÖSUNGSMÖGLICHKEITEN?

Lösungen liegen im Gespräch der beiden Lager. „Wir wollen keine Streckensperrungen“, betont Silent-Rider-Vorstand Schmunkamp. Damit bestrafe man ja die 90 Prozent der Fahrer, die sich an alle Regeln halten. Seine Stadt lebe vom Tourismus. „Wir begrüßen die Motorradfahrer, aber nicht die Krachschläger - die gehören auf den Nürburgring.“

Verständnis auch bei den Motorradfahrern: Auch die Biker müssten einen Beitrag leisten und alte Leitbilder überwinden, heißt es in dem Papier der Motorradfahrer: „Satter Sound heißt nicht für Dritte nervtötend.“

Außerdem seien neue Motorräder durch verschärfte europäische Grenzwerte schon wesentlich leiser geworden, zuletzt zum Ende 2020, betont der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Motorradindustrie in Deutschland, IVM, Reiner Brendicke - wenn sie nicht manipuliert sind, wohlgemerkt.

Am einfachsten lasse sich der Lärmausstoß schlicht mit der Hand am Gasgriff regulieren, betont der ADAC. Damit die Fahrer bei der Ortsdurchfahrt niedrige Gänge meiden und den Motor nicht aufheulen lassen, bietet der Club den Kommunen jetzt auf Wunsch kostenlose Hinweisschilder zum Aufstellen an: „Leise fahren, Lärm ersparen“ heißt es darauf - oder etwas plakativer: „Bitte nicht rööööhren“.