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Modell IFA F8 Mit dem knatternden Oldtimer-Cabrio durchs Oderbruch

Alte Fahrzeuge aus ostdeutscher Produktion scheinen unverwüstlich. Dafür sorgt nicht zuletzt ein noch immer üppiger Ersatzteilfundus. Nicht nur Trabant und Simson - auch noch ältere Fahrzeuge haben bis heute Liebhaber.

Von Jeanette Bederke, dpa Aktualisiert: 25.10.2021, 16:35
Klaus Büttner fährt mit seinem Zweitakter-Cabrio IFA F8, Baujahr 1957, über eine Landstraße. Der Tischler und Stellmacher hat den Wagen mit Holzkarosse neu aufgebaut.
Klaus Büttner fährt mit seinem Zweitakter-Cabrio IFA F8, Baujahr 1957, über eine Landstraße. Der Tischler und Stellmacher hat den Wagen mit Holzkarosse neu aufgebaut. Monika Skolimowska/dpa-Zentralbild/dpa

Ortwig - Mit einem Fußstarter erweckt Klaus Büttner seinen schmucken Oldtimer zum Leben. Das cremefarbene Cabrio mit den grünen Kotflügeln knattert in vollem Sound seines 20 PS starken Motors, der Geruch des Zweitakters erinnert entfernt an den legendären Trabant. „Kein Wunder“, sagt Büttner, „Der IFA F8 wurde im sächsischen Zwickau gebaut, ist also quasi Vorläufer des Trabi“.

Was den Tischlermeister und Stellmacher aus dem Oderbruch-Örtchen Ortwig (Märkisch-Oderland) allerdings verwundert hatte: Der IFA F8 sei als Limousine, Kombi oder Cabrio lediglich zwischen 1949 und 1955 hergestellt worden, hatte Büttner erfahren. Auf der Typenbezeichnung seines „Oldies“ steht jedoch das Baujahr 1957.

„Der F8 wurde noch bis in die 1960-er Jahre aus vorhandenen Teilen weiter gebaut“, weiß Thomas Zielke aus Schöneiche (Oder-Spree), der selbst zwei Exemplare besitzt und über Jahre ein Internet-Forum zu diesen besonderen Oldtimern geführt hat. Knapp 30.000 seien in Zwickau einst produziert worden, ein paar hundert F8 seien in Deutschland noch zugelassen und fahrbereit, hat Zielke im Kraftfahrt-Bundesamt recherchiert. „Cabrios sind allerdings ziemlich selten. Da gibt es vielleicht noch 50 weltweit“, schätzt er.

Vom ramponierten Wagen zum straßentauglichen Gefährt

Büttner hat seinen F8 im benachbarten Letschin (Märkisch-Oderland) gekauft. Dort habe der fast vergessene Oldtimer jahrzehntelang unter einer Plane auf einem Hof gestanden. Entsprechend ramponiert war das Gefährt, dessen Karosse komplett aus Buchenholz gebaut und mit einer Blechschicht überzogen wurde. „Ich wollte den unbedingt haben, weil meine Eltern als erstes Fahrzeug überhaupt ein F8-Cabrio hatten“, erzählt der 60-Jährige, der fast vier Jahre lang für die Restaurierung gebraucht hat.

Das Gefährt ist allerdings nicht Büttners erster Oldtimer. „Mit zehn Jahren bekam ich von meinem Vater einen alten Traktor geschenkt, den ich wieder zum Laufen gebracht habe“, sagt der Tüftler, der im Laufe der Jahre auch ein Feuerwehrauto, Baujahr 1976, mehrere alte Motorräder, weitere Traktoren und sogar einen russischen Jeep restauriert hat. „Mit dem bin ich von Helsinki nach Murmansk und zurück gefahren“, erzählt der Handwerker.

Alle Oldtimer Büttners sind straßentauglich und zugelassen. „Ostfahrzeuge sind schon meine Leidenschaft und der Ausgleich zum Beruf“, bekennt der Handwerker, der in seiner Tischlerei zwei Gesellen und einen Lehrling beschäftigt. Fenster und Türen für alte Fachwerkhäuser, Treppen und Reparaturen sowie Möbel und Empfangstresen für Firmen sind seine Spezialität.

Aufs Geld dürfe man bei dem Hobby nicht schauen

Drei- bis viermal im Jahr fährt er zu Oldtimertreffen. Ein spezielles Treffen für die Fans von IFA F8 gibt es laut Fachmann Zielke seit den 1980-er Jahren jedes Jahr zu Pfingsten in Zerbst - im Ortsteil Garitz (Sachsen-Anhalt).

Der F8 war aufgrund seiner Holzkarosse für Büttner eigentlich keine besondere Herausforderung. „Mein Vater, der ebenfalls Stellmacher war, hat Holz-Karosseriebau noch gelernt und mir vieles beigebracht.“ Büttner liebt den Werkstoff Holz, wie er sagt. Statt Buche verwendete er für sein Oldtimer-Cabrio Esche und Robinie. Lange musste er nach einem Spezialisten suchen, der die Außenhaut aus Blech erneuerte und lackierte. „Der Kleinkram hat das meiste Geld gekostet“, bekennt Büttner. Doch wer so ein Hobby habe, dürfe nicht aufs Geld schauen.

Einige DDR-Bürger haben Ersatzteile regelrecht gebunkert

Viele Original-Ersatzteile wie das Verdeck aus Stoff, neue Polster und Kolben sowie Zylinder bekam Büttner von Jens Scheunert aus dem sächsischen Kauschwitz. „Zu DDR-Zeiten gab es die Lagerwirtschaft. Vieles wurde auf Halde produziert und viele Ersatzteile in Größenordnungen haben gelernte DDR-Bürger zuhause gebunkert“, erklärt der als „Framo-Jens“ in der Szene bekannte Markenrechteinhaber für die gleichnamige sächsische Automarke für Kleintransporter - der Vorläufer des Barkas.

Scheunert handelt mit Ersatzteilen, die er aufkauft oder in seiner Firma nachbauen lässt. „Viele verbinden familiäre Erinnerungen mit den alten Ostfahrzeugen und hängen dran. Bei Oldtimertreffen wird in gemütlicher Atmosphäre gefachsimpelt, sich ausgetauscht, weiter geholfen“, beschreibt der KfZ-Schlosser aus Sachsen die Szene.

Ein Trugschluss sei es jedoch, dass jeder Laie an den alten Maschinen „ohne Sinn und Verstand“ herumschrauben könne. „Letztlich landen die Fahrzeuge dann doch bei mir und ich muss den Pfusch wieder ausbessern“, erklärt Scheunert, dessen Firma auf Restaurierungen spezialisiert ist.

Bei Büttners Cabrio muss der Fachmann nicht mehr ran. Rund 500 Kilometer ist der restaurierte Oldtimer bereits gefahren. „Der schafft so schlappe 100 Stundenkilometer, 70, 80 reichen mir aber, um ihn erst einmal richtig einzufahren“, sagt Büttner. Wenn er mit seinem F8 losknattert, ist er im Oderbruch stets ein Hingucker.

Service:

Website des Autounion-Veteranen-Clubs