Literatur Literatur: Kritiker und Autor feiert seinen 70. Geburtstag

Hamburg/dpa. - So viele Karrieren der Kritiker, Autor und Moderator bisher gemacht hat, so viele kontroverse Urteile haben andere über ihn gefällt: An diesem Sonntag (4. Januar) wird Hellmuth Karasek 70. Bekannt wurde der gebürtige Österreicher vor allem durch seine Kritikerrolle an der Seite von Marcel Reich-Ranicki in der ZDF-Sendung «Das Literarische Quartett». Nach dessen Ende 2001 wurde es zwar ruhiger um Karasek, doch verschwand der vielbeschäftigte Journalist, «Tagesspiegel»-Mitherausgeber, Romancier und Dramatiker mit Pseudonym Daniel Doppler nicht aus der Öffentlichkeit. Jetzt ist auch ein neuer Erinnerungsband Karaseks in Arbeit.
Karaseks Karriere verbindet sich mit den Namen führender deutscher Medien, wobei er seinen längsten festen Posten - 22 Jahre bis 1996 - als Kulturredakteur beim «Spiegel» in Hamburg hatte, bis 1991 in verantwortlicher Position. In Berlin übernahm Karasek 1997 als Mitherausgeber den Ausbau der Kulturberichterstattung des «Tagesspiegel».
In den vergangenen Jahren zog Karasek mit seinen Büchern, Kritiken und Glossen aber auch teilweise bittere Kollegenschelte auf sich, vor allem seit seinem Romandebüt «Das Magazin» 1998 über das intrigante Innenleben eines Hamburger Nachrichtenmagazins. Meist wurde das Buch verrissen, aber vereinzelt auch als trotz Übertreibungen wahre Schilderung anerkannt. Auf einer großen Lesereise erntete Karasek jedenfalls reichlich wohlwollende Lacher.
Seine journalistische Laufbahn hatte der in Brünn geborene und unter anderem in Bernburg an der Saale aufgewachsene Karasek nach Studium in Tübingen und Promotion 1960 bei der «Stuttgarter Zeitung» begonnen, 1968 wechselte er zur Wochenzeitung «Die Zeit». Beim «Spiegel» prägte schließlich er über Jahrzehnte das Bild internationaler Dramatik, Literatur und Filmkunst in Deutschland mit.
Nebenher arbeitete Karasek als Dramaturg, Moderator, Biograf etwa Billy Wilders oder als satirischer Theaterautor («Die Wachtel»). Sein Arbeitgeber sah die Umtriebigkeit seines Redakteurs jedoch zunehmend mit Argwohn. Über einen abgelehnten Artikel zu Helmut Dietls Film «Rossini», den Karasek später als «einen der persönlichsten Filme, den je jemand gedreht hat» lobte, kam es zum Bruch.
«Einen anschaulichen, bildhaften, erzählerischen» Schreibstil bevorzuge er, sagte Karasek einmal. Als stillos schalt der vielfache Preisträger «alles, was nicht zu den Menschen passt und was sie ihrem Wesen entfremdet, also aufgesetzte, übertriebene, haltlose Sachen». Ein Credo zum Kino von ihm lautet: «Wir haben inzwischen so viel Zeit, dass es gut ist, dass uns andere helfen, die Zeit zu vertreiben.» Oft galt die Liebe des Kritikers den großen, populären Künstlern; Experimentelles beispielsweise aus dem Neuen Deutschen Film der 70er Jahre war seine Sache vielfach nicht. Dafür handelte er sich vom Kollegen Roger Willemsen die Bezeichnung «affirmierender Grüßer des Kassenknüllerkinos» ein.
Im September 2001 veröffentlichte Karasek seinen zweiten Roman «Betrug», die Geschichte eines Ehebruchs, und stieß damit auf geteiltes Echo. Neben Fiktionalem prägt vor allem Autobiografisches Karaseks Schaffensliste, etwa in dem Buch «Go West!» (1996) über die 50er Jahre. Eine große Rolle spielt dabei auch immer wieder die Liebe des vierfachen Familienvaters zu Frauen und Erotik.
Erste veröffentlichte Passagen deuten dies auch für seine Kindheits-, Kriegs-, und Kritiker-Erinnerungen «Auf der Flucht» an («Ich sah, wie sich an ihren Oberschenkeln Haare aus dem Badeanzug herausgeschoben hatten.»). Der Ullstein Verlag wirbt für das Buch, dessen Erscheinen vom Geburtstagstermin auf Herbst 2004 verschoben wurde, mit einem Zitat des fünfjährigen Karasek, der einer wohlmeinenden Erwachsenen entgegengeschleudert haben will: «Ich bin kein liabs Kind!»