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Neuer Roman Nibelungen-Theater bei Felicitas Hoppe

Den Bombast aus mehreren Jahrhunderten will die Berliner Autorin mit ihrem neuen Nibelungen-Roman erden. Die Faszination kommt von den Brüchen zwischen Mittelalter-Epos und neuzeitlicher Inszenierung.

Von dpa 10.11.2021, 12:58
Die Schriftstellerin Felicitas Hoppe hat sich den Nibelungen-Stoff vorgenommen.
Die Schriftstellerin Felicitas Hoppe hat sich den Nibelungen-Stoff vorgenommen. Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa

Berlin - Dieser Mythos ist nicht totzukriegen. Das Bad im Drachenblut, das Siegfried als Helden gebiert. Der Königinnenzwist zwischen Kriemhild und Brunhild. Ein Schatz im Rhein. Die Rache, am Ende ein gnadenloses Gemetzel.

Kaum eine Legende ist über die Jahrhunderte dermaßen mit Schwulst und Opulenz übertüncht worden wie die Sage um die Nibelungen.

Aktuell konstruiert Büchner-Preisträgerin Felicitas Hoppe ihre Version des mittelalterlichen Epos als fiktive Theaterinszenierung. Das Setting: eine Bühne, wie sie so oder ähnlich jeden Sommer bei den Festspielen in Worms zu bestaunen ist. In ihrem neuen Roman „Die Nibelungen“ erzählt sie die bekannte Geschichte von Verrat, Mord und Vergeltung in frischem Gewand - und spielt augenzwinkernd mit dem wagnerianischen Gestrick des kostümierten Übermaßes.

„Die Nibelungen haben mich immer schon fasziniert und zugleich auch abgestoßen“, sagt Hoppe jüngst in einem Interview mit dem Hessischen Rundfunk. Der Stoff sei unter viel Sentimentalität begraben worden. „Wenn man zum Original zurückgeht, merkt man, dass es sehr rau ist, sehr spröde, und überhaupt eigentlich nicht pathetisch“, so die 60-jährige Berlinerin.

Siegfried hatte Engagements in Hamburg und Wien

Das mittelhochdeutsche Nibelungenlied wurde um das Jahr 1200 im Raum Passau aufgeschrieben. Mehr als 700 Jahre nach den Geschehnissen stellt der unbekannte Dichter damals das Ende des Burgunderreiches am Rhein ins Zentrum seines Werkes.

Wie das fast 10 000 Verse lange Epos erzählt auch Hoppe zunächst die Geschichte des Xantener Königssohns Siegfrieds, „der selbst niemals König sein wird, weil er die Jagd dem Regieren vorzieht, immer Angriff und Schwert“, wie es im Roman heißt. Die Hochzeit mit Kriemhild, Spross des burgundischen Herrscherhauses, der Stich in die lindenblattgroße Wundstelle, der gewaltsame Tod.

Noch in der ersten Romanhälfte heißt es: „Für Siegfried, Jahrgang 1989, geboren in Bonn, Schauspielstudium in Berlin, danach Engagements in Hamburg und Wien, ist der Abend so gut wie beendet.“ Was danach folgt, ist bekannt: Kriemhilds Rache führt zum völligen Untergang des Burgunderreiches.

Frau Kettelhut erdet den Stoff

Die Entscheidung, sich im Roman weitgehend an den chronologischen Fortlauf des Mittelalter-Epos zu halten, nennt Hoppe eine „Verpflichtung“. Und auch ihre Prosa lehnt sie nicht selten dem Rhythmus der Nibelungenverse an, etwa wenn sie beinah stringent alternierend im Takt formuliert: „Krone an Krone, Hüfte an Hüfte und Knöchel an Knöchel laufen die Königinnen ins Ziel, beide auf einmal und beide in Bestzeit, wie Frau Kettelhuts Stoppuhr verrät.“ Regisseurin Kettelhut wird zum Erdungssystem des mächtigen Stoffes.

Bei all der ironischen Spielerei und der teilweisen Überzeichnung bis hin zur Posse merkt man Hoppes Lust am Fabulieren. Der mythologische Kern wird von der Autorin gebrochen und gefaltet.

„Ob der Held im Spessart oder im Harz verdurstet, ist doch völlig egal“, heißt es im Roman über Siegfried. „Es geht nicht um das Wo oder Wie, sondern um Leben und Tod!“ Das ist es, was die Nibelungen im Speziellen und den Mythos an sich ausmachen: Alle Unwägbarkeiten der Menschheit werden auf eine Geschichte herunter gebrochen.

Felicitas Hoppe: Die Nibelungen. Ein deutscher Stummfilm, Verlag S. Fischer, 256 S., 22,00 Euro, ISBN 978-3-10-032458-0