Paradise Papers Paradise Papers: So funktioniert das Geschäft mit den Steueroasen

Berlin - Erneut fördert ein Datenleck Brisantes aus dem Schattenreich des Weltfinanzsystems zutage. Ähnlich wie im vergangenen Jahr die Panama Papers zeigen die Paradise Papers, wie weltweit Prominente aus Wirtschaft und Politik mit Steueroasen und Briefkastenfirmen ihre Profite auf Kosten der Allgemeinheit weiter steigern. In den Berichten taucht die Queen ebenso auf wie US-Handelsminister Wilbur Ross und der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD).
Was sind die Paradise Papers?
Ein internationales Journalistennetzwerk hat interne Daten über Steuerschlupflöcher und Briefkastenfirmen ausgewertet. Dabei handelt es sich um Dokumente zweier Finanzdienstleister mit Sitz auf den Bermudas und in Singapur sowie um die Unternehmensregister aus 19 Steueroasen. Die vertraulichen Informationen wurden der Süddeutschen Zeitung zugespielt. Die Zeitung teilte sie wie schon bei den Panama Papers mit dem International Consortium of Investigative Journalismus (ICIJ) und damit mit weltweit führenden Medien wie der BBC, der britischen Zeitung Guardian und der New York Times. Mit der Stärke dieses Verbundes machten sich die Journalisten gemeinsam an die Aufgabe, die 13,4 Millionen Dokumente – etwa 1,4 Terrabyte – zu durchforsten.
Um welche Finanzdienstleister handelt es sich?
Im Mittelpunkt steht die Kanzlei Appleby, die sich auf Geschäfte mit Steueroasen und Offshore-Firmen spezialisiert hat. Sie arbeitet von der Insel Bermudas aus, die als Steueroase bekannt ist. Weitere Unterlagen stammen von Asiaciti Trust aus Singapur. Dieses Unternehmen kennt sich bestens mit Trusts aus. Dies sind Firmenkonstruktionen, deren Eigentümer für Außenstehende kaum erkennbar sind. Das Treiben zielt also auf Anonymität. Häufig ist dies die Basis, um ganz legal Steuergesetze zu umgehen und die eigene Steuerzahlung auf ein Minimum zu reduzieren.
Ist Appleby eine Briefkastenfirma?
Nicht direkt. Die Kanzlei hilft aber allen, die es in den Steuerwüsten der normalen Staaten mit normalen Steuersätzen nicht mehr aushalten und ihre Geschäfte lieber in Steueroasen mit Steuersätzen von Null oder knapp darüber ansiedeln. Für diesen Beratungsservice zahlen Konzerne und vermögende Einzelpersonen üppige Honorare. Appleby rühmt sich, führender Anbieter in der Offshore-Branche zu sein. Offshore meint, dass die Aktivitäten meist abseits der Küsten auf kleinen, abgelegenen Inseln stattfinden. Zu den mehr als 470 Appleby-Angestellten gehören Rechtsanwälte sowie Steuer- und Unternehmensberater. Sie stehen ihren Klienten auch in vielen anderen Lebensfällen zur Seite, etwa wenn diese ein Testament aufsetzen lassen wollen oder sich scheiden lassen.
Was unterscheidet diese Veröffentlichung von den Panama Papers?
Im Grunde ähneln sich beide Recherchen in vielerlei Hinsicht. Bei den Panama Papers konnte das Recherche-Netzwerk auf Daten der dort angesiedelten Anwaltskanzlei Mossack Fonseca zugreifen. Das neue Leak führt diesmal nicht nur zu Superreichen, Politikern und Sportlern, sondern auch zu großen Konzernen. Den Angaben zufolge zeigen die Daten von Appleby, wie unter anderem Nike, Apple, Facebook, Wal-Mart, die Allianz, Siemens, McDonald’s und Yahoo die Dienste des Offshore-Spezialisten zur Profitmaximierung nutzten und nutzen. Im Grundsatz ist bekannt, wie wenig Steuern diese Unternehmen mit riesigen Gewinnen bezahlen. Wertvoll sind die Veröffentlichungen dennoch, weil sie konkret werden und einzelne Personen und Firmen benennen.
Welche Dimension haben die zwielichtigen Geschäfte auf den Schattenfinanzplätzen?
Schätzungen zufolge verlieren die Staaten weltweit jedes Jahr mehr als 500 Milliarden Dollar an Steuereinnahmen, weil internationale Konzerne ihre Gewinne in die sie für günstigen Regionen verlagern. Dieser Betrag übersteigt bei Weitem die Summe, die der Bund insgesamt für Arme, für Schulen und Straßen, für Verteidigung und für Rentner ausgibt. In den Offshore-Zentren haben Reiche laut dem Netzwerk Steuergerechtigkeit ein Vermögen zwischen 21 und 32 Billionen Dollar angehäuft. Das ist mehr als dreimal so viel wie das gesamte Vermögen in Deutschland.
Lux-Leaks, Panama-Papers, nun Paradise-Papers. Warum bewirken diese Skandale nichts?
Die Politik bemüht sich um Konsequenzen, auch wenn die möglicherweise nicht ausreichen. Nach den Berichten über die Panama-Papers musste der isländische Ministerpräsident zurücktreten, weil seine Beteiligung an Briefkastenfirmen bekannt wurde. Die Kanzlei Monseca sah sich gezwungen, ihre Aktivitäten drastisch herzunter zu fahren. Hierzulande verabschiedete der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Bekämpfung der Steuerumgehung. Dieses nimmt Banken in Haftung für die Steuerausfälle, wenn sie Briefkastenfirmen vermitteln. Ein Transparenzregister soll über die wahren Eigentümer und wirtschaftlichen Nutznießer von Firmen und Stiftungen geben. Auf Druck des ehemaligen Finanzministers Wolfgang Schäuble (CDU) steht es aber nicht der Öffentlichkeit zur Verfügung, sondern nur Personen, die ein besonderes Interesse nachweisen können.
Würde eine Jamaika-Koalition die Regeln verschärfen?
Eher unwahrscheinlich. Die Grünen drängen zwar auf ein härteres Vorgehen. So forderte ihr Finanzexperte Gerhard Schick einen besseren Schutz für Informanten, auch Whistleblower genannt. Zudem müsse das Transparenzregister öffentlich gemacht werden. Allerdings steht die FDP solchen Forderungen traditionell skeptisch gegenüber und verweist auf das Steuergeheimnis, das es zu schützen gelte. Der liberale Spitzenpolitiker und Rechtsanwalt Wolfgang Kubicki hat sich immer gegen zu viel Schnüffelei durch den Staat gewandt. Der geschäftsführende Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) forderte, Steuerschlupflöcher auf EU-Ebene zu schließen. Die Linkspartei sprach sich dafür aus, Finanzflüsse in Steueroasen mit einer „saftigen“ Quellen- beziehungsweise Strafsteuer zu belegen.