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Mobil auf Bestellung Mobil auf Bestellung: Clever Shuttle bald als Bus-Ersatz im ländlichen Raum?

Von Alexander Schierholz 06.09.2018, 08:00
Mitten im Leipziger Hauptbahnhof können Fahrgäste nun in Elektroautos umsteigen.
Mitten im Leipziger Hauptbahnhof können Fahrgäste nun in Elektroautos umsteigen. DPA

Leipzig/Halle (Saale) - Sieht so der Nahverkehr der Zukunft aus? Mehr als ein Dutzend grün-weißer Elektroautos stehen aufgereiht an Ladesäulen auf einer Freifläche im Leipziger Hauptbahnhof. Die Fahrzeuge gehören zum Fuhrpark des Fahrdienstleisters Clever Shuttle. Der Dienst funktioniert ähnlich wie ein Taxi. Das Auto wird per App gebucht. Allerdings muss man damit rechnen, dass noch jemand mitfährt. Ein Algorithmus bringt Fahrgäste zusammen, die in etwa die gleiche Route haben. So sinkt der Fahrpreis für den Einzelnen. Fachleute sprechen von „Ride Sharing“, dem Teilen einer Fahrt. Und von Mobilität „on demand“, also auf Bestellung.

Solche Angebote sind immer stärker gefragt. Clever Shuttle ist bereits in fünf Großstädten am Start, neben Leipzig in Berlin, Hamburg, München und Stuttgart. Dresden und Frankfurt am Main sollen demnächst folgen, wie Geschäftsführer Bruno Ginnuth ankündigt. Von dem Geschäft verspricht sich auch die Deutsche Bahn viel. Der Konzern hat am Mittwoch bekanntgegeben, dass er die Mehrheit an Clever Shuttle übernommen hat. Bisher hielt die Bahn 18 Prozent der Unternehmensanteile.

Vorreiter Bayern: Clever-Shuttle als Lösung für urbane Regionen

Die Liste der Standorte des Fahrdienstleisters zeigt, was Sprecher Fabio Adlassnigg so ausdrückt: „Clever Shuttle ist eine Lösung für urbane Regionen.“ Dabei betrachten Fachleute Nahverkehr auf Bestellung auch als Modell für den ländlichen Raum. „Dort, wo ein regelmäßiger Busverkehr nicht wirtschaftlich ist, brauchen wir flexible Systeme“, sagt Steffen Lehmann, Chef des Mitteldeutschen Verkehrsverbundes (MDV), der den Nahverkehr im Raum Halle/Leipzig organisiert.

Fahrdienste auf Bestellung seien denkbar als Zubringer zu Bus- und Bahnknoten, aber auch um Lücken im Fahrplan abends und an den Wochenenden zu füllen, sagt Lehmann. Er sieht solche Angebote auch als „ideale Alternative zum Zweitwagen“. Als erste Kleinstadt in Deutschland hat im vergangenen Jahr Freyung im Bayerischen Wald, 7 300 Einwohner, ein entsprechendes Modell eingeführt. Auch dort werden die Autos per App gebucht.

MDV hat in Mitteldeutschland noch keinen Partner gefunden

In Mitteldeutschland hat der MDV allerdings noch keinen passenden Partner gefunden, der den Fahrdienst anbieten könnte. Man habe mit mehreren Dienstleistern gesprochen, darunter auch mit Clever Shuttle, so Lehmann. „Am Ende hieß immer, das ist wirtschaftlich nicht attraktiv.“ Clever-Shuttle-Sprecher Adlassnigg führt an, in ländlichen Gebieten gebe es nicht genügend Fahrgäste, die sich eine Fahrt teilen und diese damit effizienter machen könnten. Darauf beruht das Geschäftsmodell des Anbieters.

Der Verkehrsverbund will nun selber in die Bresche springen und in Kooperation mit örtlichen Busbetreibern neue Angebote testen. Etwa im Burgenlandkreis, für den derzeit ein neues Nahverkehrskonzept erarbeitet wird. Geplant seien auf stark nachgefragten Verbindungen Buslinien im Ein- oder Zwei-Stunden-Takt, sagt Lehmann. Für kleine Orte seien daneben Bestell-Modelle möglich.

Ganz neue wäre das nicht. In vielen Landkreisen Sachsen-Anhalts werden zu bestimmten Zeiten auf bestimmen Linien bereits Rufbusse eingesetzt. Auch diese fahren auf Anforderung, allerdings in der Regel nach einem festen Fahrplan. Bei den neuen Modellen hält Lehmann es auch für möglich, Fahrgäste bei Bedarf ohne starren Fahrplan direkt an der Haustür abzuholen. Entschieden sei aber noch nichts.

Clever Shuttle wurde vor vier Jahren in Berlin gegründet. Im Frühjahr 2016 ging der Fahrdienst in Leipzig an den Start, damals mit sechs Kunden. Mittlerweile nutzen laut Unternehmen täglich 750 Fahrgäste die grün-weißen Autos. Der Anteil der Fahrten, die sich mehrere Nutzer teilen, liegt bei mehr als 40 Prozent. Clever Shuttle ist nach eigenen Angaben günstiger als ein Taxi, aber teurer als Bus und Bahn.

Der Leipziger Ableger, an dem auch die Mediengruppe Madsack beteiligt ist, ist mit 45 Autos und 80 Fahrern der größte bundesweit. Die Fahrer arbeiten nicht auf eigenen Rechnung, sie sind in Vollzeit angestellt oder haben Mini-Jobs.

Clever-Shuttle für die „letzte Meile“

Die Deutsche Bahn erhofft sich von ihrer Mehrheitsbeteiligung an Clever Shuttle derweil etwas ganz anderes: Dass immer mehr Fahrgäste am Ende ihrer Zugreise für die Weiterfahrt nicht den Bus, die Tram oder das Taxi nutzen, sondern den Fahrdienst. Deshalb stehen die grün-weißen Autos im Leipziger Hauptbahnhof auch nur wenige Meter von den ICE-Bahnsteigen entfernt bereit. „Clever Shuttle organisiert nach der Zugfahrt die letzte Meile zum Ziel“, schwärmt Personenverkehrs-Vorstand Berthold Huber. (mz)