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Telekommunikation Handynetz-Betreibern droht Sanktion wegen „weißer Flecken“

Deutschlands Handynetze werden besser. Doch bei der Bekämpfung „weißer Flecken“ im Funkstandard 4G ist die Branche langsamer unterwegs als vorgeschrieben.

Von Wolf von Dewitz, dpa Aktualisiert: 04.12.2022, 12:59
Laut einer Auflage von 2019 müssen deutsche Handynetz-Betreiber bis Jahresende in 500 Gebieten „weiße Flecken“ schließen.
Laut einer Auflage von 2019 müssen deutsche Handynetz-Betreiber bis Jahresende in 500 Gebieten „weiße Flecken“ schließen. Christoph Soeder/dpa

Bonn - Der Druck auf Deutschlands Netzbetreiber steigt, 4G-Funklöcher schnellstmöglich zu schließen. Bei einer Sitzung des Beirats der Bundesnetzagentur wurde deutlich, dass das Ziel, zum Jahresende 500 solcher „weißen Flecken“ zu schließen, wohl verfehlt wird. Bundesnetzagentur-Präsident Klaus Müller nannte den Zwischenstand „unbefriedigend“. Beiratsmitglieder aus mehreren Bundestagsfraktionen sprachen sich bei klaren Verfehlungen für Sanktionen gegen die Firmen aus. In jeweils 167 Gegenden müssen die drei Betreiber einen Download von mindestens 100 Megabit pro Sekunde ermöglichen. Jüngsten Zahlen zufolge schafft das vermutlich keiner.

Die Ausbaupflicht stammt aus der Frequenzauktion 2019. Seither waren die Telekommunikationsanbieter keineswegs untätig. Große Teile der Auflagen werden die Firmen wohl erfüllen - etwa die Vorgabe, in jedem Bundesland 98 Prozent der Haushalte mit gutem Mobilfunk zu erreichen (also mindestens 100 Mbit/s). Ein Telekom-Sprecher verweist darauf, dass der Bonner Konzern seit 2019 bereits 4800 neue Mobilfunkstandorte gebaut und das Handynetz „massiv verbessert“ habe. Auch Vodafone und O2 investierten stark in ihre Netze.

Weiße-Flecken-Auflage wird wohl nicht erfüllt

Die Weiße-Flecken-Auflage allerdings wird wohl gerissen - zumindest, wenn man die Pflicht an der Zahl 500 festmacht. Nach Lesart der Telekommunikationsbranche könnte sie diese Auflage aber auch bei einem niedrigeren Wert erfüllen. „Nach aktueller Planung werden wir die Versorgungsziele nach den Vorgaben der Bundesnetzagentur überall dort, wo wir nicht durch externe Einflüsse daran gehindert werden, erfüllen“, sagt zum Beispiel ein Vodafone-Sprecher. Soll heißen: Mancherorts lag das halt nicht an uns.

Vodafone ist derzeit bei „mehr als 30“ geschlossenen weißen Flecken, Ende des Jahres soll es eine dreistellige Zahl sein - es geht also zügig voran. Dabei setzt die Firma vor allem auf mobile Stationen als Übergangslösungen. Die Telekom will bis zum Jahreswechsel 44 „weiße Flecken“ beseitigt haben, Anfang November waren es nur 28. Weitere 24 Funkstationen in den weißen Flecken sind im Bau.

Telefónica Deutschland (O2) teilt mit, dass man die Auflage inzwischen in 55 Gebieten erfüllt habe. Anfang November waren es 45. Ein Telefónica-Sprecher weist darauf hin, dass man in fast allen der 500 Gebiete zwar keine 100 Megabit pro Sekunde schaffe, aber durch die Optimierung angrenzender Standorte „bereits eine leistungsfähige Mobilfunkversorgung über 4G/LTE hergestellt“ habe.

Schwierige Standortsuche, langwierige Genehmigungsverfahren

Aus Sicht der Telekom bedeutet das „temporäre Nichterreichen“ der Zahl 167 zum Jahreswechsel nicht, dass die Auflage nicht erreicht werde. Denn die schwierige Standortsuche und langwierige Genehmigungsverfahren spielen nach Darstellung des Firmensprechers eine entscheidende Rolle. Leider habe die mit den Bundesländern abgestimmte Behördenliste mit der Lage der weißen Flecken erst Ende 2021 vorgelegen. Die Suche und die Anmietung von Standorten - wenn man sie überhaupt bekomme - dauere im Schnitt sieben Monate, Genehmigungen dauerten acht bis zwölf Monate. Man werde der Bundesnetzagentur für jeden einzelnen Standort die Gründe offenlegen.

Das Regelwerk für die Frequenzauflagen enthält die Ausnahmemöglichkeit, dass Netzbetreiber von den Vorgaben abweichen können, sollte der Bau „rechtlich und tatsächlich“ nicht möglich gewesen sein. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn sich in einem Gebiet partout kein Grundstückseigentümer zur Vermietung bereiterklärt und daher auch kein Handymast gebaut werden kann.

Netzagentur wird jeden Fall prüfen

Wahrscheinlich werden die drei Netzbetreiber Anfang Januar vermelden, dass sie zwar weniger als vorgesehen geschafft haben, dass es aber triftige Gründe gebe. Danach wird die Netzagentur jeden Fall überprüfen. Und was, wenn die Gründe als nicht stichhaltig befunden werden? Dann sollte die Behörde „ihren Instrumentenkasten“ nutzen, sagt der Grünen-Bundestagsabgeordnete Maik Außendorf. „Sollten Einzelfallprüfungen ergeben, dass kein plausibles Fremdschulden vorlag, sollten Buß- oder Zwangsgelder verhängt werden.“

Ähnlich hatte sich im Vorfeld der Beiratssitzung bereits Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) geäußert, und auch Beiratsmitglied Reinhard Houben (FDP) vertritt diese Haltung. „In Einzelfällen kann es sein, dass ein neuer Funkmast schlicht und ergreifend nicht möglich war“, sagt der Bundestagsabgeordnete. „Aber eine große Zahl an weißen Flecken sollte es nicht sein - das wäre dann ein Problem, was die Bundesnetzagentur hart angehen sollte.“

Durz fordert „gestaffelte Sanktionsmöglichkeiten“

Auch der CSU-Bundestagsabgeordnete Hansjörg Durz ist für eine harte Gangart. „Nur wenn das Nicht-Einhalten von Versorgungsauflagen spürbare Folgen für die Unternehmen hat, werden sie auch bei künftigen Frequenzvergaben ernst genommen“, sagt er und fordert von der Netzagentur, „gestaffelte Sanktionsmöglichkeiten“ zu erarbeiten.

Eine andere Auflage der Frequenzauktion wird auf keinen Fall erreicht. Denn der designierte Handynetz-Betreiber 1&1, der 2019 erstmals eigenes Spektrum ersteigerte, muss bis zum Jahreswechsel eigentlich 1000 eigene Antennenstandorte in Betrieb nehmen. Bereits im September teilte 1&1 mit, dieses Zwischenziel wegen Lieferengpässen bei einer beauftragten Infrastrukturfirma nicht erreichen zu können. „Um die so entstandene Lücke schnellstmöglich zu schließen, stehen wir in engem Austausch mit unseren weiteren Ausbaupartnern“, hieß es am Montag von 1&1. Man wolle das Zwischenziel nun im Sommer 2023 erreichen.