1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Rekonstruktion schwierig: Rekonstruktion schwierig: Warum Millionen Papierschnipsel unbearbeitet in der Stasi-Behörde liegen

Rekonstruktion schwierig Rekonstruktion schwierig: Warum Millionen Papierschnipsel unbearbeitet in der Stasi-Behörde liegen

02.01.2015, 06:52
In der Stasi-Unterlagenbehörde lagern noch Millionen solcher Papierschnipsel.
In der Stasi-Unterlagenbehörde lagern noch Millionen solcher Papierschnipsel. dpa Lizenz

Berlin - Die Rekonstruktion zerrissener Stasi-Unterlagen per Computer steckt weiter in der Testphase. Ein hochleistungsfähiger Spezialscanner für die Papierschnipsel fehle noch, sagte der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn. Der Bundestag habe für das Projekt nun zusätzlich zwei Millionen Euro bewilligt. „Das ist das Signal, dass es weitergeht.“ Einen Termin nannte er aber nicht.

Das Fraunhofer Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik tüftelt seit 2007 an der weltweit einmaligen Technik. Der Bundestag hatte für das Pilotprojekt bereits acht Millionen Euro bereitgestellt. Wegen der komplizierten Materie gab es immer wieder Verzögerungen.

Aus den rekonstruierten Papieren werden weitere Erkenntnisse über das Wirken der DDR-Staatssicherheit erwartet, möglicherweise auch über die Arbeit der Stasi im Westen. Im Herbst 1989 hatten Offiziere massenhaft Akten vernichten wollen. Nachdem Reißwölfe heiß gelaufen waren, wurde auch per Hand zerfetzt. Bürgerrechtler stoppten die Aktion und retteten massenhaft Akten. Daneben blieben 111 Regal-Kilometer unversehrte Papiere erhalten.

2013 ist das ZDF wegen der Stasi-Vergangenheit von Schauspieler Andreas Schmidt-Schaller unter Druck geraten. Schmidt-Schaller soll Ende der 1960er Jahre von der Stasi angeworben worden sein und lieferte Informationen über die Leipziger Theaterschule an die Stasi weiter. Seit 2001 spielt er den Kriminalhauptkommissar Hans-Joachim Trautzschke in der ZDF-Serie „Soko Leipzig“.

Der Liedermacher und Rockmusiker Gerhard Rüdiger Gundermann wurde in den 1970er Jahren als IM bei der Stasi angeworben. Im Jahr 1984 wurde der gebürtige Weimarer wegen „prinzipieller Eigenwilligkeit“ von der Stasi ausgeschlossen.

Im Jahr 1993 wurde bekannt, dass Puhdys-Bandmitglied Peter Meyer für die Stasi tätig war. Der Stern schrieb damals: „Jahrelang hat der Chef der Puhdys als Inoffizieller Mitarbeiter auch bei der Stasi mitgespielt.“ Nach der Veröffentlichung, habe sich Meyer kaum noch auf die Straße getraut.

Der im Jahr 2008 verstorbene Musiker Peter „Cäsar“ Gläser enttarnte sich in seiner Autobiografie im Jahr 2007 selbst als Inoffizieller Mitarbeiter der Staatssicherheit. Er gehörte zu den bekanntesten Musikern in der DDR. Gläser spielte in der Klaus Renft Combo und der Band Karussell. Erst nach seiner Ausreise aus der DDR 1989 beendete er die Mitarbeit als IM.

Der in Wernigerode geborene Lutz Bertram war ab den 1980er Jahren ein bekannter Radiomoderator beim DDR-Jugendrundfunksender DT64. Zu seiner Stasi-Mitarbeit musste er sich im Jahr 1995 bekennen. Er soll sein Wissen, was er aus Bekanntschaft mit zahlreichen Künstlern der DDR zog, an die Stasi weitergeleitet haben.

Die deutsche Kabarettistin stand bis zum Bekanntwerden ihrer Stasi-Tätigkeit im Jahr 1999 am Kabarett-Theater Distel auf der Bühne. Sie war von 1978 bis 1980 für das Ministerium für Staatssicherheit tätig.

Der in Weimar geborene Schriftsteller Sascha Anderson war in den 1980er Jahren ein bedeutender Protagonist der alternativen Schriftsteller- und Künstlerszene im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg.
Anfang der 1990er Jahre wurde bekannt, dass er ein ehemaliger Mitarbeiter der Stasi war. Seit 1975 war er unter verschiedenen Decknahmen tätig. Er soll vor allem Kollegen und Künstlerfreunde bespitzelt haben. Auch nach seiner Ausreise im Jahr 1986 war er weiterhin für die Stasi tätig. Heute lebt er mit seiner Frau in der Nähe von Frankfurt am Main.

Der Fernsehmoderator begann seine Karriere beim Jugendmagazin Elf 99 im DDr-Fernsehen. Nach der Wende moderierte er zahlreiche Sendungen wie zum Bespiel „Kopf oder Zahl“ beim MDR oder „Die goldene Eins“ beim Ersten.
Im August 2001 wurde bekannt, dass Dubinski 1983 acht Monate lang als inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (Stasi) tätig war. Er wollte in seiner Zeit bei der NVA einen Stubenkameraden bespitzelt und Berichte an die Stasi geliefert haben.
Nach Bekanntwerden der Vorwürfe hatte Dubinski auf sämtliche Auftritte als Moderator verzichtet. Kurze Zeit später kehrte er auf die Bildschirme mit verschiedenen Sendungen zurück.

Gigantisches Computer-Puzzle

Die zerrissene Hinterlassenschaft wurde in 16 000 Säcken gelagert. In den 25 Jahren seit dem Mauerfall wurde der Inhalt von mehr als 500 Säcken zusammengefügt - zumeist per Hand. Das seien 1,5 Millionen Blätter, sagte Jahn. Mit den bisherigen Kapazitäten würde die Rekonstruktion noch mehrere hundert Jahre dauern, so der frühere DDR-Oppositionelle. „Ich bin ungeduldig angesichts dieser Zeitprognose.“

Laut Stasi-Unterlagen-Behörde war die Software für das gigantische Computer-Puzzle schon vor einem Jahr fertig. Sie kann Risskanten, Schrift- und Papierarten eindeutig zuordnen. Aus Schnipseln seien in dem Projekt mehr als 24 000 Blätter wiederhergestellt worden. Problematisch ist bislang, dass die Schnipsel sehr aufwendig in herkömmlichen Geräten eingescannt werden müssen. (dpa)

Roland Jahn, Chef der Stasi-Unterlagen-Behörde
Roland Jahn, Chef der Stasi-Unterlagen-Behörde
dpa Lizenz