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Gipfel in Madrid Nato-Streit mit Türkei um Finnland und Schweden gelöst

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan gibt seine wochenlange Blockadehaltung gegenüber Schweden und Finnland auf. Die Beitrittsgespräche zur Nato-Norderweiterung können damit starten.

Von dpa Aktualisiert: 28.06.2022, 22:42
Der türkische Außenminister Mevlut Cavusoglu (3.v.l), schüttelt die Hände der schwedischen Ministerpräsidentin Magdalena Andersson (r) neben dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan (M) und dem finnischen Präsidenten Sauli Niinisto (2.v.r).
Der türkische Außenminister Mevlut Cavusoglu (3.v.l), schüttelt die Hände der schwedischen Ministerpräsidentin Magdalena Andersson (r) neben dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan (M) und dem finnischen Präsidenten Sauli Niinisto (2.v.r). Bernat Armangue/AP/dpa

Madrid - Die Türkei hat ihren Widerstand gegen die Aufnahme von Schweden und Finnland in die Nato aufgegeben. „Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass wir jetzt ein Abkommen haben, das Finnland und Schweden den Weg zum Nato-Beitritt ebnet“, sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg am Dienstagabend nach einem Treffen mit Schwedens Ministerpräsidentin Magdalena Andersson, dem finnischen Präsidenten Sauli Niinistö und seinem türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdogan. Dies sende auch die deutliche Botschaft an Russlands Präsidenten Wladimir Putin, dass die Tür der Nato offen ist.

Die Türkei, Schweden und Finnland hätten eine Absichtserklärung unterzeichnet, die auf die türkischen Vorbehalte eingehe. Dabei gehe es unter anderem um Waffenexporte und den Kampf gegen Terrorismus. „Morgen werden die Staats- und Regierungschefs der Alliierten beschließen, Finnland und Schweden einzuladen, der Nato beizutreten“, sagte Stoltenberg.

Niinistö teilte mit, die Türkei werde während des Nato-Gipfels in Madrid die Einladung an die beiden nordischen Länder, Bündnismitglied zu werden, unterstützen. Das gemeinsame Memorandum unterstreiche die Verpflichtung Finnlands, Schwedens und der Türkei, ihre volle Unterstützung gegen die Bedrohung der Sicherheit des jeweils anderen Landes zu gewährleisten, hieß es in der Mitteilung des finnischen Präsidenten. „Dass wir Nato-Bündnispartner werden, wird diese Verpflichtung noch verstärken.“

Aufnahme im Mai beantragt

Finnland und Schweden sind bislang keine Nato-Mitglieder, aber enge Partner des Verteidigungsbündnisses. Russlands Einmarsch in die Ukraine löste jedoch in den beiden militärisch bisher bündnisfreien Ländern intensive Debatten über eine solche Mitgliedschaft aus. Am 18. Mai beantragten sie jeweils die Aufnahme in die Nato - in der Hoffnung, das Prozedere bis zum Beitritt möglichst schnell durchlaufen zu können.

Die Türkei schob dem allerdings prompt einen Riegel vor, indem sie als einziges Nato-Mitglied den Beginn des Aufnahmeprozesses blockierte. Da Entscheidungen in der Nato nach dem Konsensprinzip und damit nicht gegen den Widerstand von Verbündeten getroffen werden, stockte der Prozess seitdem. Für das Bündnis war das ein unerwarteter Rückschlag, schließlich bemüht es sich seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine darum, Einheit und Geschlossenheit zu zeigen.

„Heute haben wir uns getroffen, diskutiert und eine gute Lösung gefunden“, sagte Stoltenberg am Dienstag nach dem mehr als dreistündigen Treffen. Der Nato-Beitritt der beiden nordischen Länder werde die komplette Sicherheitssituation in der Ostseeregion verändern. „Dies wird die Nato stärken und auch Finnland und Schweden stärken.“ Stoltenberg begrüßte, dass Finnland und Schweden Waffenlieferungen in die Türkei möglich machen wollen. Er sei zudem zuversichtlich, dass die Türkei, Finnland und Schweden sich an die Zusagen aus dem Memorandum hielten.

Ankara forderte Auslieferung mehrerer Menschen

Ankara hatte seine Blockadehaltung mit der angeblichen schwedischen und finnischen Unterstützung von „Terrororganisationen“ wie der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, der syrischen Kurdenmiliz YPG und der Gülen-Bewegung begründet - in Stockholm und Helsinki werden diese Vorwürfe zurückgewiesen. Ankara forderte die Auslieferung mehrerer Menschen, die in der Türkei unter Terrorverdacht stehen. Auslieferungen sollen der Einigung vom Dienstag zufolge stets in Einklang mit dem Europäischen Auslieferungsabkommen stehen.

Erdogan ging es darüber hinaus um die Aufhebung von Beschränkungen für Waffenexporte in die Türkei. Nato-Partner wie Deutschland, aber auch andere EU-Länder wie Schweden haben aus Protest gegen eine türkische Offensive gegen die YPG in Nordsyrien im Jahr 2019 Rüstungslieferungen in die Türkei teilweise gestoppt. Die Türkei betrachtet das als Affront, da sie den Einsatz in Syrien als notwendigen Schritt im Kampf gegen den Terrorismus ansieht.

Es geht um einen historischen Schritt

Für Finnland und Schweden geht es in der Nato-Frage um einen historischen Schritt, schließlich sind beide Länder traditionell in militärischer Hinsicht bislang bündnisfrei. Beide betrachten Russland schon seit längerem als Bedrohung. Im finnischen Fall hängt das auch damit zusammen, dass das Land eine mehr als 1300 Kilometer lange Grenze zu Russland hat. Kein anderes EU-Land grenzt auf solch einer Länge an das Riesenreich.

Ursprünglich gab es die Hoffnung, dass Finnland und Schweden noch in diesem Jahr offizielle Nato-Mitglieder werden können. Der Streit mit der Türkei hat Zweifel aufgeworfen, ob dieser lose Zeitplan hält. Nach dem Abschluss des Aufnahmeverfahrens innerhalb der Nato müssen die Beitrittsprotokolle von den Parlamenten in allen 30 Bündnisstaaten ratifiziert werden, was Schätzungen von Diplomaten zufolge innerhalb von sechs bis acht Monaten abgeschlossen sein dürfte.