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"Kappt das Pflänzchen des Vertrauens" "Kappt das Pflänzchen des Vertrauens": Pofalla sorgt für Ärger in der Kohlekommission

Von Stefan Sauer 16.09.2018, 14:01
Ronald Pofalla, einer von vier Vorsitzenden der Kohlekommission
Ronald Pofalla, einer von vier Vorsitzenden der Kohlekommission dpa

Berlin - Am Samstag hieß es noch, in der Kohlekommission zeichne sich ein Kompromiss für den Ausstieg aus der Braunkohle ab. Der „Spiegel“ hatte vorab von einem Zeitplan berichtet, den Bahnvorstand Ronald Pofalla, einer von vier Vorsitzenden der Kommission, mit weiteren Mitgliedern des Gremiums  sowie nicht näher bezeichneten „Vertrauten“ entworfen haben soll: Demnach sollten die letzten Braunkohlekraftwerke zwischen 2035 und 2038 vom Netz gehen, fünf  bis sieben große bereits bis 2020.

Am Sonntag war klar, dass es vieles geben mag in der von der Bundesregierung eingesetzten Kommission, in der Energieversorger, Umweltverbände, Gewerkschaften, Kommunalpolitiker und Wissenschaftler vertreten sind. Nur eines derzeit ganz gewiss nicht: Eine Übereinkunft zu Pofallas Dreijahreskorridor oder auf überhaupt irgendein konkretes Ausstiegsszenario.

Weiger drohte mit Ausstieg

So ließ Kommissionsmitglied und Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser wissen, von einer Einigung könne nicht die Rede sein, die Gespräche über Ausstiegstermine hätten noch gar nicht begonnen, ihm sei überdies ein Vorschlag seitens Pofalla nicht bekannt. Zuvor hatten die Vorbereitungen zur Rodung des Hambacher Forsts durch den Energieversorger RWE, der dort den Tagebau zu erweitern gedenkt, für erheblichen Ärger im Lager der Umweltschützer gesorgt.

BUND-Chef Hubert Weiger, der ebenfalls der Kommission angehört, hatte gar mit einem Ausstieg aus dem Gremium gedroht, sollte RWE tatsächlich mit dem Fällen der Bäume beginnen und damit Fakten schaffen. Die kohlekritischen Vertreter, zu denen auch der Vorsitzende des Deutschen Naturschutzrings Kai Niebert zählt, plädieren für ein Ende der Braunkohleverstromung bis 2030.

Befürworter halten Ausstieg nach 2040 für denkbar

Auf der anderen Seite halten die Kohlebefürworter – von RWE über die IG BCE bis zu Landes- und Kommunalpolitikern aus NRW, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen – einen Ausstieg erst nach 2040 für denkbar. Der Termin 2038 sei nicht akzeptabel, hieß es bei RWE. Schließlich gehe es bei der Energiewende nicht allein um Klimaschutz, sondern ebenso um Stromkosten, Versorgungssicherheit und Jobs.

Die Sorge um Arbeitsplätze treibt naturgemäß auch die Gewerkschaften um. IG-BCE-Chef Michael Vasiliadis, der ebenfalls Sitz und Stimme in der Kohlekommission hat, kritisierte Pofalla scharf: Der ehemalige Chef des Bundeskanzleramts jongliere mit „irgendwelchen Ausstiegsdaten, die nichts mit den in der Kommission besprochenen Sachverhalten zu tun“ hätten, und kappe somit  „fahrlässig das zarte Pflänzchen des Vertrauens, das sich in dem Gremium gerade erst gebildet hatte“.

Zentrale Bedeutung vor allem im Osten

Fakt ist: Die Zahl der Arbeitsplätze in der Braunkohle-Branche liegt bundesweit bei nicht einmal mehr 21.000. Tatsache ich aber auch, dass Abbau und Verstromung des klimaschädlichen Energieträgers in den strukturschwachen Gebieten des Ostens weiterhin von zentraler wirtschaftlicher Bedeutung sind.

In der Lausitz sind derzeit noch mehr als 8600 Menschen in den Braukohlebranche beschäftigt, in einigen Regionen hängt mehr als die Hälfte aller Jobs am Tagebau. Nicht von ungefähr verlangt der Konzernbetriebsrat des Lausitzer Energieunternehmen Leag, Pofalla solle die Kommission verlassen. Sein Vorstoß bestätige den Verdacht, die Kommission sei lediglich Alibiveranstaltung „für einen in Hinterzimmern ausgehandelten politischen Deal“.

AfD verspricht Erhalt von Arbeitsplätzen im Tagebau

Der Wirklichkeitsgehalt solch einer Einlassung sei dahingestellt. Unbestreitbar ist, dass in der Braunkohlefrage politische Erwägungen eine wesentliche Rolle spielen. Denn die AfD, die den menschengemachten Klimawandel für eine Erfindung erhält und in manchen östlichen Wahlkreisen aus der Bundestagswahl 2017 als stärkste Partei hervorging, verspricht den Erhalt von Arbeitsplätzen im Tagebau ohne absehbares Ende. Dass die Partei weder über Konzepte zur wirtschaftlichen Regionalentwicklung noch zur Energiewende verfügt, stört offenbar nicht. Die simple Botschaft reicht: Die Braunkohle bleibt, wir sorgen dafür. Und nach uns die Sintflut.