Analyse Analyse: Die Mär vom sauberen Krieg
Washington/MZ. - Es sollte ein völlig neuartiger Krieg werden. Von modernen Präzisionswaffen war die Rede und von der "chirurgischen Exaktheit" der geplanten Militärschläge. Die Kombination aus militärischer Hochtechnologie und gewissenhafter Präzisionsarbeit moralisch disziplinierter Soldaten sollte einen sauberen Krieg ermöglichen. Einen Krieg, in dem die Bösewichte in feindlicher Uniform kurz und schmerzlos ausgeschaltet werden und der Zivilist praktisch unbeschadet bleibt.
Unschuldige Opfer
Vor über drei Jahren begann mit dieser Mischung aus kalkulierter Propaganda und aufrichtiger Naivität der US-Krieg im Irak. Es hat nicht lange gedauert, bis die Realität hinter dem künstlichen Bild vom sauberen Krieg zum Vorschein kam. Das Blut floss auch in diesem Krieg in Strömen, Unschuldige kamen zu Tode, Bomben verfehlten ihr Ziel, ein amerikanischer Soldat drehte durch und warf eine Granate ins Quartier der eigenen Mannschaft, ein anderer erschoss vor laufender Kamera einen am Boden liegenden Iraker mit der Bemerkung: "Moment mal, ich glaube, der lebt noch."
Dann kamen die Bilder von Abu Ghoreib hinzu, die Misshandlungen und sadistischen Exzesse einer trostlosen Truppe amerikanischer Wachsoldaten, die Bushs Erklärung, gegen Terroristen sei jedes Mittel recht, einfach zu wörtlich genommen hatten. Und jetzt, im vierten Kriegsjahr, wird das erste Massaker an 24 Zivilisten bekannt.
Kriegsverbrechen gehören zum Krieg dazu. Damit wird das Massaker von Haditha in keiner Weise gerechtfertigt oder relativiert. Denn messen lassen müssen sich die USA eben doch an ihrem eigenen Anspruch. Andernfalls könnte man den 24 Toten leicht die Tausenden gegenüberstellen, die Opfer derjenigen geworden sind, die verharmlosend "Aufständische" genannt werden und in Wirklichkeit nichts als skrupellose Mörder sind. Doch hier gelten zu Recht unterschiedliche Maßstäbe. Eine Armee, die im Namen von Freiheit und Demokratie antritt, kann sich nicht die Brutalität des Gegners zu eigen machen, auch dann nicht, wenn sie selbst Ziel und Opfer dieser Brutalität wird.
Ausbildungsschwerpunkt der US-Marineinfanteristen ist das Töten. Regelmäßig drehen schon im Training die ersten durch, weil sie mit den einpeitschenden Befehlen der Unteroffiziere "Kill him! Kill him!" (Töte ihn) mental nicht fertig werden. Andere sind gelehrige Schüler des traditionsreichen Handwerks.
Auf schwachen Füßen
Man wird die für das Massaker von Haditha verantwortlichen Soldaten vor Gericht stellen. Das ist richtig und notwendig, um die ohnehin auf schwachen Füßen stehende Glaubwürdigkeit der amerikanischen Irak-Mission einigermaßen zu festigen. Doch es wird Haditha nicht vergessen machen. Amerika und der Rest der Welt haben spätestens jetzt verstanden, dass der Krieg, den man im Irak begonnen hat, kein sauberer Krieg ist.