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Arbeit Versetzung weltweit möglich: Grundsatzurteil gesprochen

Können Arbeitnehmer dauerhaft ins Ausland versetzt werden? Grundsätzlich ja, sagen Deutschlands höchste Arbeitsrichter. Ein Blick in den Arbeitsvertrag kann sich für Arbeitnehmer nach der Entscheidung lohnen.

Von Simone Rothe, dpa Aktualisiert: 01.12.2022, 22:17

Erfurt - Eigentlich ging es dem Ryanair-Piloten aus Nürnberg nur darum, dass seine Versetzung ins italienische Bologna für rechtswidrig erklärt wird. Das hat er mit seiner Klage durch alle deutschen Arbeitsgerichtsinstanzen nicht erreicht. Aber er sorgte am Mittwoch in Erfurt für ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts, das sehr viele Arbeitnehmer in Deutschland betreffen kann - vor allem, wenn sie in einem Unternehmen beschäftigt sind, das weltweit agiert.

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts

Arbeitnehmer können dauerhaft ins Ausland versetzt werden, wenn im Arbeitsvertrag nicht etwas anders vereinbart ist, entschieden die höchsten deutschen Arbeitsrichter. Das Weisungsrecht von Arbeitgebern zum Arbeitsort gelte nicht nur für Deutschland, sondern auch für Standorte international. Es müsse jedoch eine Einzelfallprüfung geben, ob die Versetzung in ein anderes Land für den Arbeitnehmer zumutbar sei.

Die Entscheidungsbegründung

Die Quintessenz ihres Urteils formulierten die Richter so: „Der Arbeitgeber kann aufgrund seines arbeitsvertraglichen Direktionsrechts den Arbeitnehmer anweisen, an einem Arbeitsort des Unternehmens im Ausland zu arbeiten, wenn nicht im Arbeitsvertrag ausdrücklich oder den Umständen nach konkludent etwas anderes vereinbart worden ist.“ Vor einer Versetzung ins Ausland müsse es eine zweistufige Prüfung geben, sagte ein Gerichtssprecher. „Ist die Versetzung rechtlich zulässig? Und ist sie im konkreten Fall zumutbar?“ Juristen sprechen von einer Billigkeitsprüfung, die erfolgen müsse.

Der Knackpunkt

Letztlich ging es „um die Auslegung von Paragraf 106 der Gewerbeordnung“, sagte der Vorsitzende Richter, Rüdiger Linck, in der Verhandlung. Er regelt das Weisungsrecht von Arbeitgebern - seine Anwendung bezüglich des Arbeitsortes ist unter Arbeitsrichtern umstritten. Der Anwalt des Piloten hielt die vertraglich vereinbarte Versetzungsklausel im Vertrag seines Mandanten für unwirksam, weil seiner Meinung nach die Gewerbeordnung nur eine Versetzung innerhalb Deutschlands zulasse. Mit dieser Argumentation konnte er nicht punkten.

Klarheit geschaffen

Mit seinem Urteil schuf das Bundesarbeitsgericht Klarheit bei der Auslegung des Passus in der Gewerbeordnung. „Eine Begrenzung des Weisungsrechts auf Arbeitsorte in der Bundesrepublik Deutschland ist dem Gesetz nicht zu entnehmen“, so die Bundesarbeitsrichter. Der umstrittene Paragraf 106 besagt: „Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.“

Der Fall

Den Präzedenzfall für das Urteil lieferte ein Pilot einer Tochterfirma der irischen Fluggesellschaft Ryanair. Der Flugkapitän klagte bis zur höchsten Arbeitsgerichtsinstanz gegen seine dauerhafte Versetzung von Nürnberg, wo die Fluggesellschaft ihre Station schloss, zum Flughafen im italienischen Bologna. Er wollte die Rücknahme der Versetzung nach Italien erreichen, die im Mai 2020 erfolgte. Sein Anwalt verwies darauf, dass sein Mandant dadurch auch Gehaltseinbußen von einigen zehntausend Euro hatte. Im Arbeitsvertrag des Klägers war vereinbart, dass der Pilot auch an jedem anderen Standort des Unternehmens eingesetzt werden kann, und dass sich seine Vergütung dann nach dem dort geltenden System richtet.

Die Konsequenzen

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts hat nach Meinung des Bonner Arbeitsrechtlers Gregor Thüsing weitreichende Auswirkungen. Die Arbeitswelt werde immer internationaler. „In vielen Arbeitsverträgen ist kein Arbeitsort festgelegt.“ Dieser könnte von Arbeitgebern nach betrieblichen Notwendigkeiten festgelegt werden - „allerdings muss den Interessen des Arbeitnehmers hinreichend Rechnung getragen werden.“